1486 - Im Tempel der Furcht
hinter ihrem Rücken befunden hatte und nun von ihr mit beiden Händen in die Höhe gerissen wurde.
Ein Schwert!
Nein, nicht nur das. Es war das Schwert. Genau die Waffe, die schon ein anderer besessen hatte.
Mike Nichols brauchte keine zwei Sekunden, um zu begreifen, was ihm bevorstand. Aber er war so geschockt, dass ihm kein Schrei mehr gelang.
Nur ein raues Flüstern drang aus seinem Mund. »Sie – Sie – wollen wirklich…«
Sie gab die Antwort auf ihre Weise. Das Schwert kippte, und dann stieß sie zu.
Die Klinge drang tief in den Leib des Polizisten und riss eine große Wunde. Blut quoll hervor. Der Mann wankte zurück. Er taumelte tiefer ins Wohnzimmer hinein. Er versuchte sogar noch zu sprechen, aber kein verständlicher Laut drang aus seinem Mund. Nur ein Krächzen.
Dann kippte er nach hinten. Die schwere Gestalt landete nicht auf dem Boden. Sie wurde von einem Sessel aufgefangen, über dessen Lehne sie sackte.
Aus kalten Augen schaute die Mörderin auf den Toten. Sie ließ sich noch Zeit, bevor sie das Zimmer verließ und daran dachte, dass es für sie noch nicht vorbei war.
Sie hörte die Stimme im Kopf. Sie war da, und sie wiederholte immer nur einen Satz.
»Jetzt bist du ich…«
***
Als ich das Haus der Archäologin wieder betrat, fiel mir erneut die Stille auf. Ich machte mir darüber weiter keine Gedanken, denn ich wollte mir Wasser holen und damit die Tabletten schlucken. Das alles war völlig natürlich, denn ich hatte die Vorgänge der vergangenen Stunden schon aus meinem Gedächtnis verbannt. Sir Baldur Wainright würde uns keine Probleme mehr bereiten.
Natürlich blieben noch Fragen offen, was die Vorhölle anging und auch die drei skelettierten Richter. Aber was brachte es mir ein, wenn ich mir noch weiter Gedanken darüber machte? Es war vorbei und vergessen, und nur das zählte für mich.
Zwar kannte ich die anderen Räume des Hauses nicht alle, aber ich wusste, dass es hier unten eine kleine Toilette gab. Zu ihr führte eine schmale Tür, die ich öffnete. An der Wand befand sich ein schmales Handwaschbecken. Ein Glas sah ich nicht, und so ließ ich das Wasser laufen und bückte mich dem Strahl entgegen, nachdem ich die Tabletten in meinen Mund geschoben hatte.
Ein kurzes Schlucken, dann waren sie weg. Die Wirkung würde schon bald eintreten. So konnte ich mit der Archäologin noch einige Dinge klären, die in der Vergangenheit begraben lagen und diesen Duke of Kent betrafen. Möglicherweise hatte er auch woanders noch seine verdammten Spuren hinterlassen.
Ich bewegte mich recht langsam, denn schnelle Bewegungen ließen wieder die Stiche in meinem Kopf entstehen.
Ich verließ den kleinen Raum und wunderte mich jetzt darüber, dass ich keine Stimmen hörte. Dabei stand die Tür zum Wohnraum offen.
Vielleicht waren Rosy Keller und Mike Nichols aufgrund der Ereignisse auch sprachlos geworden.
Bevor ich das Wohnzimmer betrat, schaute ich noch auf den Boden vor mir, weil mir etwas aufgefallen war. Es lag innerhalb des Gangs und schimmerte im Licht der Deckenlampe leicht dunkel.
Tropfen…
Sie waren leicht zerplatzt, und ich hatte in meinem Leben genügend Blut gesehen, um zu wissen, was diese Tropfen bedeuteten.
Für einen winzigen Augenblick schloss ich die Augen. Dann kam ich aus meiner halb gebückten Haltung wieder hoch und spürte unsichtbare kalte Finger über meinen Rücken kriechen.
Hatte ich nicht schon ein leicht ungutes Gefühl nach Beendigung des Falls gehabt?
Ich wusste es nicht mehr genau und konnte mich auch nicht so recht daran erinnern. Aber das Blut auf dem Boden ließ auf etwas Bestimmtes schließen, und diese Tatsache sorgte für einen scheußlichen Druck in meiner Magengegend.
Die Spur führte vom Wohnzimmer aus weg tiefer in den Gang hinein. Es blieb bei den drei Tropfen, und ich tat genau das, was ich tun musste. Ich betrat den Wohnraum.
Er war leer!
Auf den ersten Blick zumindest. Und ich wurde auch nicht angegriffen. Dann jedoch sah ich den Sessel und den Mann, der quer über die Lehne gefallen war.
Mike Nichols!
Nach dem zweiten Schritt sah ich ihn besser und auch die Wunde zwischen Magen und Herz, die nur von einem Messer mit breiter Klinge stammen konnte – oder von einem Schwert!
Genau das war es!
Dieser Duke hatte ein Schwert besessen, und das war verschwunden. Ich jedenfalls hatte es bei ihm nicht mehr gesehen. Und jetzt starrte ich auf der toten Kollegen, dessen Blick gebrochen war, und ich sah die tiefe und irgendwie grausame
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