1487 - Die Dämonen-Prinzessin
nichts gehört hatte, stellte sie eine erste Frage.
»Wollt ihr die Geschichte des kleinen Gerrit hören?«
»Ja!« antworteten gleich mehrere Kinder.
»Soll ich euch seine Welt zeigen?«
»Ja, tu das, bitte. Wir wollen sie sehen. Erzähle uns bitte mehr von seiner Welt.«
»Gut, dann hört zu.« Ophelia lehnte sich zurück und schloss die Augen für einen Moment. Über ihre Lippen huschte ein Lächeln, das jedoch wenig freundlich war.
Nur achteten die Kinder nicht darauf. Sie waren gespannt, was ihnen die Prinzessin erzählen würde…
***
Die Frau erschien wie aus dem Nichts. Sie verwandelte sich in Windeseile von einem Schatten in einen lebenden Menschen und sprach mich an, bevor ich noch die Tür des Rover zuschlagen konnte.
Suko war vorher ausgestiegen. Er hatte sich mit seiner Partnerin Shao treffen wollen. Ich aber war bis in die Tiefgarage gefahren, um von hier aus in meine Wohnung zu gelangen.
»Mr. Sinclair?«
»Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?«
»Mein Name ist Lena Quinn.«
»Angenehm, Mrs. Quinn. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich muss mit Ihnen reden!«
Ich hörte den Satz, ich schaute der Frau ins Gesicht und wollte schon eine abwehrende Antwort geben, als ich den Ausdruck der Verzweiflung in ihren Augen sah.
Die Frau hatte Probleme, und sie war nicht grundlos zu mir gekommen, auch wenn der Platz in der Tiefgarage schon mehr als ungewöhnlich war. In meinem Job muss man immer misstrauisch sein, und so fragte ich sie: »Woher wussten Sie, dass Sie mich hier antreffen können?«
»Mein Sohn und ich wohnen im Nebenhaus. Ich bin eine alleinerziehende Mutter…« Sie hob die Schultern. »Es hat sich auch herumgesprochen, wer hier in meiner unmittelbaren Nähe lebt, und ich wollte mir den Weg nach Scotland Yard ersparen. Da habe ich eben auf Sie gewartet. Ist das sehr schlimm?«
Wieder traf mich einer dieser verzweifelten und auch bittenden Blicke.
Ich musste einfach darauf eingehen und schüttelte den Kopf.
»Nein, Mrs. Quinn, das ist nicht schlimm. Ich gehe mal davon aus, dass Sie zu mir gekommen sind, weil Sie ein Problem haben.«
»Das habe ich.«
»Und wie lautet es?«
Lena Quinn überlegte nicht lange. Sie sagte: »Es geht nicht um mich, sondern um meinen Sohn Gerrit. Er ist zehn Jahre alt, und er hat sich völlig verändert.«
Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
»Bitte, Mrs. Quinn, nehmen Sie es mir nicht übel, aber was Ihren Sohn angeht, bin ich wohl nicht der richtige Mensch, um Ihnen dabei zu helfen, ihn zu erziehen.«
»Das weiß ich. Aber darum geht es nicht.«
»Worum dann?«
»Um seine Veränderung. Er hat sich auf eine für mich schlimme Weise verändert. Es war wirklich grauenhaft. Ich weiß mir keinen Rat mehr, denn ich habe das Gefühl, als wäre Gerrit in die Fänge eines anderen geraten.«
»Waren Sie schon bei einem Arzt?«
»Ja, da bin ich gewesen.«
»Und?«
»Er konnte mir nicht helfen.«
»Hat er denn etwas gesagt, eine Diagnose erstellt?«
»Nein…« Lena Quinn schüttelte traurig den Kopf. »Ich stehe völlig neben mir.«
»Und warum kommen Sie jetzt zu mir?«
»Weil Sie wohl der einzige Mensch sind, der mir und meinem Sohn helfen kann.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Sie sind meine letzte Hoffnung, Mr. Sinclair.«
Das hörte sich alles sehr pathetisch an. Vielleicht auch ein wenig übertrieben, aber ob es das wirklich war, da hatte ich schon meine Zweifel.
Nur – spielte mir die Frau etwas vor? Wollte sie mich in eine Falle locken?
Nein, ihre Sorge war echt. Diese Menschenkenntnis besaß ich schon. Sie sorgte sich um ihren Sohn, und der bittende Ausdruck in ihren Augen verschwand nicht.
An diesem Abend hatte ich sowieso nichts vor. Ihr Auftritt hatte mich überzeugt.
»Okay, Mrs. Quinn, dann höre ich mir Ihre Geschichte mal an. Nur ist dieser Ort schlecht. Ich denke, wir sollten hoch zu meiner Wohnung fahren und dort…«
»Nein, bitte nicht.«
»Warum nicht?«
»Können wir nicht zu mir gehen?«
»Im Prinzip schon. Aber warum…?«
»Das will ich Ihnen sagen, Mr. Sinclair. Ich möchte, dass Sie meinen Sohn kennen lernen. Gerrit ist in der Wohnung. Ich bitte Sie, ihn sich genau anzuschauen. Und dann möchte ich Ihre Meinung hören. Bitte, Mr. Sinclair.«
»Okay, gehen wir.«
»Danke«, sagte sie und atmete tief durch. »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.« Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie anfangen zu weinen, doch sie riss sich zusammen und hielt sich an mir fest, um nicht zu fallen.
Ja, sie hatte
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