1488 - Schamanen-Zauber
einen leichten Druck aus. Jetzt hätte er eigentlich vor Schmerzen schreien müssen, doch das war nicht der Fall.
Er schrie nicht. Er stöhnte nicht. Er erlebte alles völlig normal. Wie ein gesunder Mensch.
»Verdammt, ich bin gesund!« flüsterte er sich selbst zu. »Ich bin wieder gesund geworden!«
Auf einmal konnte er das Lachen nicht mehr zurückhalten. Es musste einfach raus. Was er hier erlebte, war der glatte Wahnsinn, aber im positiven Sinn.
Er saß noch immer auf der fremden Couch, als er sich das Hemd aus der Hose riss, um seinen nackten Bauch zu bestaunen.
»Nichts«, flüsterte Amado fassungslos. »Kein Blut. Keine Wunde, nur eine Narbe. Alles verheilt.«
Begreifen konnte er es nicht, obwohl er es sich so gewünscht hatte.
»Der Mann ist ein Phänomen. Der ist einmalig. Ich muss näher mit ihm in Kontakt kommen. Verdammt, wenn er für mich arbeitet, lässt sich damit eine Menge Geld verdienen…«
Amado war wieder der Alte. Er sah eine neue Einkommensquelle vor sich, und seine Augen fingen schon an zu glänzen.
Er drehte den Kopf und schaute sich um.
Gianni Amado dachte an die Zeit nach seiner Operation. Da war er eingeschlafen. Wie lange er in diesem Zustand verbracht hatte, war ihm unbekannt, aber er war weggetreten, daran gab es nichts zu rütteln. Und man hatte ihn während des Schlafs weggeschafft. Eben in diesen ihm unbekannten Raum, der Wände aus Holz hatte, die aussahen wie Jalousien. Sehr fremdländisch, und der Mafioso musste daran denken, dass der Heiler nicht von hier stammte.
Keiner konnte genau sagen, woher er gekommen war, aber gerade das stachelte Amados Neugierde an. Wenn er mit diesem Menschen zusammenarbeiten wollte, dann musste er wissen, welche Vergangenheit er hatte.
Für Amado war er schon mehr als ein Mensch. Er würde ihn ohne Weiteres als einen Übermenschen bezeichnen, und das war nicht mal übertrieben. So etwas wie diese Operation brachte niemand sonst fertig. Da konnten nur magische Kräfte mit im Spiel sein.
Bei all diesen Gedanken hatte er den Eindruck, auf der Schwelle eines neuen Lebens zu stehen. Alles würde sich ändern, davon war er überzeugt. Er war nicht mehr der kranke Herrscher, auf dessen Ableben die menschlichen Hyänen warteten. Er würde wieder hochkommen, und er nahm sich schon jetzt vor, mit gewissen Leuten abzurechnen.
Amado stand auf.
Auch das klappte. Kein Unwohlsein, kein Schwindel. Selbst dann nicht, als er ging. Es war alles so normal. Keine Stiche mehr beim Auftreten. Er schritt über den hellen Holzboden hinweg und schaute auf die dunkel lackierte Tür. Im Raum stand nur die Couch. Weitere Möbelstücke sah er nicht. Es musste so etwas wie ein Ruheraum sein, in den man die Patienten nach der Operation brachte.
Mit der Ruhe war es vorbei. Amado fühlte sich fit wie der berühmte Turnschuh. Er würde die Dinge wieder in seine Richtung lenken, das stand fest.
Erst jetzt kam ihm der Gedanke, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Auch sie hatte man ihm wieder um das Handgelenk geschlungen. Mindestens drei Stunden waren seit der OP vergangen. So lange hatte er geschlafen und sich ausruhen können.
Draußen war es bereits dunkel. Er erinnerte sich daran, dass man ihm vor der OP versprochen hatte, dass am Abend alles wieder in Ordnung sein würde. Genau daran hatte man sich gehalten, und es tat ihm gut, sich darauf verlassen zu können.
Aber er wollte nicht allein bleiben. Er musste mit Igana Kontakt aufnehmen. Er wollte ihm von seinem Plan berichten und ihm danach eine Nacht Bedenkzeit geben. Ebenso wichtig war für ihn, dass er wusste, wer dieser Mann genau war. Noch immer konnte er sich nicht vorstellen, dass ein Mensch ein derartig glattes Gesicht hatte.
Dahinter musste einfach mehr stecken. Er trug bestimmt eine Maske, die sein wahres Gesicht verbarg. Wahrscheinlich deshalb, weil der Mann zu alt war. Runzelig und faltig. Durch die Jahrzehnte gezeichnet.
Es ärgerte ihn schon, dass sich der Arzt nicht bei ihm blicken ließ.
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommen wollte, dann musste der Berg eben zum Propheten gehen.
In Amados Fall war das die lackierte Tür. Was hinter ihr lag, war ihm nicht bekannt. Er hoffte, dort seine beiden Leibwächter zu finden, die auch die OP überwacht hatten.
Amado hatte die Tür noch nicht erreicht, als sie von außen aufgestoßen wurde. Der Mafioso zuckte zurück, seine Hand glitt dorthin, wo er sonst seine Waffe stecken hatte. Aber sie war nicht vorhanden, und so wich er hastig einen Schritt
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