1488 - Schamanen-Zauber
ihn hätte zum Schreien bringen können. Alles war anders, und er bekam es trotzdem mit.
Er spürte die Hände, die in ihm steckten und in seinen Eingeweiden wühlten. Jede Bewegung der Finger vollzog er nach. Sie tasteten, sie suchten, sie kämpften sich voran und forschten nach der Quelle des Übels, um es ihm zu entreißen.
Der erste Schreck und die erste Angst waren schnell vorbei. Gianni Amado begriff die Welt nicht mehr. Da wühlten sich fremde Hände durch seinen Leib, und er erlebte keine Schmerzen. Er hätte auch tot sein können, aber nein, er blieb sogar bei Bewusstsein und war in der Lage, den Weg der Hände zu verfolgen.
So etwas war völlig neu für ihn. Aber er hatte sich darauf eingelassen, und allmählich kam ihm zu Bewusstsein, dass dies gar nicht so schlecht gewesen war. Bisher hatte er noch keine Schmerzen gespürt. Alles lief so glatt ab, und als er das leise Lachen des Heilers hörte, da wusste er, dass der Mann sein Ziel erreicht hatte.
Amado erlebte mit, wie die Hände etwas fanden und es auch umschlossen, bevor sie es aus seinem Körper rissen.
Ja, so war es!
Das verfluchte Geschwür hatte sich irgendwo festgeklammert und musste befreit werden. Genau das geschah in diesen Augenblicken.
Etwas löste sich aus seinem Körper, und wenig später sah er, was da hervorgeholt worden war.
Da schwebte plötzlich eine Hand über ihm. Sie war gekrümmt, damit sie etwas umklammern konnte. Es war ein blutiges Etwas, das der Heiler aus dem Körper entfernt hatte.
Blut rann an den silbernen Handschuhen entlang, und der Mann mit dem Maskengesicht begann zu sprechen.
»Du bist gesund. Ich habe den bösen Teufel in dir entfernt. Du wirst keine Schmerzen mehr haben, das kann ich dir versichern. Aber du musst noch liegen bleiben, denn ich werde deine Wunde mit meinen heilenden Händen schließen.«
Gianni Amado konnte nicht mehr sprechen. Er war geschockt, völlig von der Rolle. Sein Gesicht zeigte eine Anspannung und auch Erleichterung. Er wusste nicht, was er noch sagen sollte.
Dabei konnte er sprechen, aber es drang nur ein Krächzen aus seiner Kehle.
»Entspann dich. Ruh dich aus. Alles andere wird sich von allein regeln. Eu kannst mir vertrauen, denn ich habe alles im Griff. Ich brauche nicht viel Zeit.«
»Danke, ja, danke…«
Der Heiler verschwand aus dem Sichtfeld des Mafioso. Er trat wieder an das untere Ende des Operationstisches und sprach leise mit seiner Assistentin, die ebenso leise antwortete.
Amado aber gehorchte. Er blieb so liegen, wie man es ihm gesagt hatte. Er wartete dabei förmlich auf die Schmerzen, die jedoch nicht eintraten. Sie blieben aus, und so erlebte er nur, wie sich die Hände des Heilers mit seiner Wunde beschäftigten. Da wurde nichts genäht, nichts geklammert, es waren einzig und allein die Hände, als könnten sie die Wunde zusammenkleben.
Irgendwann spürte der Mafioso die Müdigkeit. Er sank in einen tiefen Schlaf und hatte das Gefühl, die Welt und alles andere hinter sich gelassen zu haben.
Eines war sicher.
Der Tod war besiegt, und er würde sein Leben weiterführen können. All diejenigen, die auf sein Ableben gelauert hatten, denen hatte er ein Schnippchen geschlagen…
***
Gianni Amado erwachte!
Es war ein Aufschrecken nach der langen Phase der Dunkelheit, und er setzte sich hin, wobei er das Gefühl des Schwindels zunächst nicht unterdrücken konnte. Er wusste auch nicht, wo er sich befand, aber es war nicht die große Dunkelheit, die ihn umgab, sondern ein warmes Licht, gespendet von einer flachen Lampe, die unter der Decke hing und ihren Schein nach allen Seiten hin verteilte.
Amado brauchte einige Sekunden, um sich darüber klar zu werden, dass er sich nicht mehr in dem OP-Raum befand. Und es war noch etwas mit ihm passiert. Man hatte ihn angezogen. Er trug ein Hemd, eine Hose, sogar die Schuhe und auch die Socken.
Und die Schmerzen, die ihn über lange Zeit hinweg so gequält hatten?
Sie waren verschwunden. Es gab sie nicht mehr. Nicht mal Phantomschmerzen. Ihm war, als hätte es sie nie zuvor gegeben, und genau das löste bei ihm einen inneren Jubelsturm aus.
Er ballte die Hände zu Fäusten. Er holte tief Luft. Und er setzte sich hin. Sehr vorsichtig, wie er es immer getan hatte, denn bei jeder Bewegung waren die Schmerzen wieder über ihn gekommen.
Jetzt nicht mehr…
»Das ist verrückt! Das kann ich nicht glauben! Das ist der reine Wahnsinn…« Er schüttelte den Kopf und strich über seinen Bauch.
Seine Finger übten dort
Weitere Kostenlose Bücher