1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
das ihnen Furcht einjagte.
»Leer.«
»Und weiter?«
Simone hob die Schultern. »Wir könnten warten, wenn du nichts dagegen hast.«
Er nickte.
»Dann komm. Hier an der Tür zieht es mir zu sehr. Ich kann mir zudem vorstellen, dass der Vogel wieder hier erscheint. Er hat eine Aufgabe, verstehst du? Der fliegt nicht einfach nur so herum. Ich gehe davon aus, dass ein bestimmter Plan dahinter steckt.«
»Das wird verdammt schwer sein, den heraus zu finden.«
»Warte ab. Außerdem muss er von irgendwo hergekommen sein. Das würde mich auch mal interessieren.«
»Vielleicht aus dem Wald.«
»Richtig. Da liegt auch der Friedhof dieser komischen Sekte. Privatbesitz. Das kann ich noch immer nicht fassen, wie sie das geschafft haben. Weißt du denn mehr darüber?«
»Nein, Simone. Ich habe mich nie darum gekümmert. Ich habe diesen privaten Friedhof ebenso hingenommen wie andere Menschen auch. Er war für uns nicht wichtig.«
»Das hat sich ja nun geändert.«
»Noch gibt es keinen Beweis.«
Die beiden hatten ungefähr die Mitte des Treibhauses erreicht und blieben stehen. Von hier aus hatten sie den besten Blick in beide Richtungen. So genau sie auch schauten, die Krähe bekamen sie nicht zu Gesicht. Es flog überhaupt kein Vogel durch das Treibhaus.
Nur der Geruch von kalter Erde begleitete sie.
»Und was jetzt, Elliot?«
Wells schaute in die klaren Augen seiner Freundin. Er entdeckte darin einen grünen Schimmer. »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung. Wenn ich hier stehe und mich umschaue, habe ich das Gefühl, dass alles nur ein böser Traum gewesen ist. Aber es war kein Traum. Darauf verwette ich meinen Hals, und die Wunde am Kopf habe ich mir nicht selbst beigebracht. Die Saatkrähe war verdammt aggressiv.«
»Das nehme ich dir sogar ab.«
»Danke.«
Simone boxte ihren Freund in die Seite. »He, reiß dich mal zusammen. So kenne ich dich gar nicht.«
»Mir ist das auch neu. Und ich suche verzweifelt nach einer Erklärung, verstehst du?«
»Das kann ich mir denken.«
»Aber es gibt keine, verflucht.«
»Zuerst müssen wir mal den Vogel finden, dann sehen wir weiter. Bist du sicher, dass sein Gefieder eine grüne Farbe angenommen hat?«
»Bin ich.«
»Dann wollen wir ihn mal suchen.«
Elliot wollte noch etwas fragen, aber er sah ein, dass er darauf verzichten musste. Seine Freundin hatte ihn bereits stehen lassen und befand sich auf dem Weg zu der mit Weihnachtssternen gefüllten Palette.
»Was willst du denn da?« rief er ihr nach.
»Das ist ganz einfach. Wenn es einen Ort gibt, an dem sich ein Vogel verstecken kann, dann dort.«
»Stimmt auch wieder.«
»Eben.«
Simone musste nur noch ein paar Schritte gehen, dann hatte sie es geschafft. Sie blieb vor der Palette stehen und ließ ihre Blicke über die Weihnachtssterne gleiten.
»Siehst du was?«
»Noch nicht.«
»Dann wird auch keiner…«
»Verdammt!« schrie Simone auf und stoppte damit die Worte ihres Freundes. »Von wegen!« Sie sprang zurück, denn plötzlich löste sich aus der Deckung der Weihnachtssterne der Vogel, der mit wild flatternden Flügeln an Höhe gewann. Er stieg der gläsernen Decke entgegen, und jetzt erkannten beide, dass er nicht normal war. Von seiner Form schon, nur nicht von der Farbe her, denn die hatte sich tatsächlich in ein Giftgrün verwandelt.
Auch Simone war geschockt. Nach dem Erscheinen des Vogels war sie zurückgesprungen und hatte die Hände vor ihr Gesicht gerissen, um es zu schützen. Das war nicht nötig gewesen, denn die grüne Saatkrähe zeigte an ihr kein Interesse und auch nicht an Elliot.
Sie flog ihren Weg bis hoch zur Decke, wo sie einige Kreise drehte und danach zur Landung ansetzte. Sie tat den beiden nicht den Gefallen, das Treibhaus zu verlassen.
Stattdessen landete die Krähe auf einem der drei langen, mit Erde gefüllten Beete. Sie blieb dort hocken, pickte einige Male irgendetwas auf, schüttelte sich auch und schlug ihre Flügel hektisch auf uns nieder.
Simone lief zurück zu ihrem Freund. Der bemerkte ihr Kommen kaum. Er stand wie festgewurzelt auf der Stelle und schaute über die Beete hinweg. Sein Blick hatte sich praktisch an der Gestalt des Vogels festgefressen. Im Moment war er unfähig, etwas zu sagen, und gab auch keine Antwort, als Simone ihm eine Frage stellte.
»Sind das die Augen deines Vaters?«
Er hob nur die Schultern.
Simone war einfühlsam genug, um sich vorzustellen, wie es im Innern ihres Freundes aussah. Sie ließ ihn zunächst in Ruhe und ließ
Weitere Kostenlose Bücher