1490 - Das Rätsel der Leichenvögel
ihn nicht richtig verstanden. »Was sagst du?«
»Der Wald, verdammt. Ja, der Wald, das ist es.«
Er brauchte nichts mehr hinzuzufügen. »Moment mal«, sagte Simone. »Dieser Wald, befindet sich darin nicht der private Sektenfriedhof?«
»Ja, das stimmt.«
»Oje.« Sie stöhnte leise auf. »Dann ist mir klar, wohin der Vogel geflogen ist.«
»Du denkst an den Friedhof?«
»Woran sonst?«
Elliot schwieg. Er schluckte und spürte dabei, wie sich die feinen Haare in seinem Nacken sträubten.
»Ja, das ist wohl der Fall. Die Krähe ist in Richtung Friedhof geflogen und will, dass wir ihr folgen.«
»Du hast es erfasst!«
»Und? Willst du das? Willst du ihr folgen?« Simone schaute ihren Freund von der Seite her ins Gesicht.
»Ich – ich weiß nicht so recht.«
»Du fürchtest dich davor – oder?«
»Das kann man wohl sagen. Oder macht es dir Spaß, auf einen Friedhof zu gehen?«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Mir auch nicht.«
»Aber wenn es sein muss…« Simone ließ die weiteren Worte unausgesprochen. Sie war hier nicht der Chef. Alles, was zu entscheiden war, lag in Elliots Händen. »Nun …«
»Ich weiß nicht«, murmelte Elliot. »Das ist mir nicht geheuer.«
»Klar, mir ergeht es nicht anders. Aber hast du das Grab deines Vaters schon mal besucht?«
»Nein, nicht freiwillig. Ich bin mal von der Polizei hingeführt worden, aber da lagen die Leute vor ihren Gräbern.«
»Bitte?«
»Sie hatten alles vorbereitet«, flüsterte er. »Sogar die Grabsteine standen schon in der Erde. Es mussten nur noch die Löcher geschaufelt werden. Das passierte dann auch. Eine Firma hat es übernommen. Und plötzlich ist dann alles anders gewesen. Es gab den Alten nicht mehr. Ich war auf mich alleingestellt. Ich habe mich nur um die Firma gekümmert und nicht mehr um das Grab.«
»Aber du findest es wieder?«
»Klar.«
»Dann sollten wir intensiv darüber nachdenken, ob wir nicht hingehen sollen. Wir müssen eine Entscheidung herbeiführen, auch wenn es verdammt schwer ist.«
»Du sagst es.«
Simone verspürte auch die Furcht in ihrem Innern, aber sie gehörte zu den Personen, die immer gern Klarheit haben wollten, und das wollte sie auch hier durchziehen.
Ihr Freund war ein lieber Kerl und auch ehrgeizig, aber jetzt fühlte er sich überfordert, was auch verständlich war, denn niemand wusste, was sie auf dem Friedhof erwartete.
Plötzlich tauchte die Krähe wieder auf. Woher sie so plötzlich gekommen war, hatten sie beide nicht gesehen. Aber die grüne Saatkrähe zog über ihren Köpfen Kreise. Sie wartete ab, was die beiden unternehmen würden.
»Der Vogel will eine Entscheidung, Elliot.«
»Das sehe ich.«
»Und?«
Er wischte über sein Gesicht. »Gut, du hast mich überzeugt. Ich denke, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Wir müssen das eben durchziehen.«
»Und ich bleibe an deiner Seite.« Es war Simone egal, ob der verdammte Vogel weiterhin seine Kreise über ihren Köpfen zog, ihr Freund brauchte jetzt Trost, und so nahm sie ihn in die Arme und küsste ihn innig…
***
Sheila Conolly hatte Kaffee gekocht und das Tablett abgestellt. Bill und ich bedienten uns, während Mark Toby auf seinem Stuhl saß und auf den Käfig schaute, in dem der Rest seines Vogels lag, der mit der Stimme seiner Frau gesprochen hatte.
»Ich begreife es nicht«, flüsterte er immer wieder. »Ich kann es nicht begreifen…«
»Ihr Kaffee, Mr. Toby.«
»Danke, aber ich bekomme nichts runter.«
»Ich lasse ihn trotzdem bei Ihnen stehen«, sagte Sheila, hob die Schultern an und schaute uns mit einem Blick an, der sagte: Wer nicht will, der hat schon.
»Er wird nie mehr zurückkehren – oder?«
»Ja, Mr. Toby.«
»Warum haben Sie das getan, Mr. Sinclair?«
»Es ist ein Test gewesen. Ich habe selbst nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren wird.«
»Aber Sie haben ein Kreuz genommen.«
»Das stimmt.«
»Wieso kann ein Kreuz derartige Kräfte entfalten, dass es ein Lebewesen zerstört?«
»Es ist nicht normal, das gebe ich zu, Mr. Toby. Ich hätte es Ihnen auch nicht im Voraus sagen können, aber wenn in einer Kreatur, egal, ob Tier oder Mensch, etwas Böses steckt, dann ist mein Kreuz praktisch gezwungen, so zu reagieren. Sie können davon ausgehen, dass es sich um einen indirekten Angriff gehandelt hat.«
»Nein, es ist niemand angegriffen worden.«
»Allein die Existenz war es.«
Mark Toby nickte. »Ja, dann ist der Vogel keine normale Kreatur gewesen.«
»Das sehe ich auch so. Es steckte
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