1490 - Endstation Sol
wäre er als Berater der genau richtige Gegenpol für mich."
An Vrochnashs Reaktion merkte Daarshol, daß er damit in die richtige Kerbe geschlagen und den Vorstellungen seines Vorgesetzten genau entsprach. „Was hältst du von diesem Vorschlag, Cemaach?" fragte Daarshols Vorgesetzter den alten Cantaro. „Im Moment habe ich ohnehin keine anderen Prioritäten, darum könnte ich mich Daarshol zur Verfügung stellen", erklärte Cemaach; er umschrieb damit elegant die Tatsache, daß er in seinem Alter kaum mehr Verantwortung übertragen bekam. Er bedachte Daarshol mit einern leicht ironisch anmutenden Blick und fiügte hinzu: „Überhaupt, wo er mich so höflich darum bittet
*
„Damit wäre die Angelegenheit wohl geklärt", schloß Vrochnash die Sitzung. Für ihn war diese Lösung ebenfalls die beste, denn er konnte auf diese Weise mit Daarshol einen Kompromiß schließen, ohne selbst das Gesicht zu verlieren.
Daarshol aber beschloß in diesem Augenblick, Cemaachs Erfahrung und Wissen für seine Zwecke zu nutzen. „Auf ein Wort, Cemaach", bat Daarshol den altgedienten Cantaro nach der Sitzung.
Cemaach machte eine ablehnende Handbewegung. „Nicht so hastig, Daarshol", sagte er müde. „Ich möchte zuerst die mir zustehende Regenerierungsphase in Anspruch nehmen. Danach kannst du dich in meiner Unterkunft melden."
Daarshol stimmte dem Ansuchen des Alten zu und bat: „Könntest du inzwischen alle verfügbaren Unterlagen über das Humanidrom für mich beschaffen?"
„Was willst du über das Humanidrom wissen?"
„Alles."
*
Cemaach wohnte weit außerhalb der Wohnsiedlung Thakarach in freier, fast unberührt wirkender Natur.
Daarshol mußte einen Gleiter nehmen, um die Distanz von 100 Kilometern zurückzulegen.
Der Bungalow lag, zusammen mit hundert anderen Altensitzen, an einem kleinen Wasserlauf, der sich in Serpentinen durch hügeliges, von blühenden Stauden bewachsenes Gelände schlängelte.
Nachdem Daarshols robotgesteuerter Gleiter gelandet war, trat Cemaach vor das kleine Haus. Er lächelte, und dieses Lächeln wischte alle Altersspuren aus seinem Gesicht weg; er sah in diesem Moment so jugendlich wie ein frisch geklonter Generalfahnrich aus.
Er hätte wohl die physischen Voraussetzungen gehabt, um noch zweihundert Jahre und mehr leben zu können. Aber Cemaachs Zeit war gekommen. Er freute sich auf seinen Abgang. Vielleicht war auch das der Grund, warum er so herzlich lächeln konnte.
Daarshol hatte sich schon beim Landeanflug die passenden Worte zur Begrüßung überlegt. Er breitete die Arme aus, als wolle er die gesamte Unterwelt von Schotschi umfassen und sagte: „Man sagt uns Cantaro Gefuhlskälte nach. Aber wären Wesen ohne Emotionen dazu imstande, ein solches Paradies zu erschaffen? Noch dazu, wo hier die Nervenzentrale der Galaxis untergebracht ist."
„Wir sind nicht gefühlskalt", erwiderte Cemaach. „Wir sind nur gezwungen, unsere wahren Gefühle zu unterdrücken."
„Das verlangen die Umstände", sagte Daarshol. „Ja, das liegt an den Umständen", bestätigte Cemaach, aber Daarshol war nicht ganz sicher, ob sie beide dasselbe meinten. Cemaach machte eine einladende Geste. „Aber komm ins Haus. Ich habe alles fur ein Einstandsgespräch vorbereitet."
„Hast du die Unterlagen über das Humanidrom?" platzte Daarshol ungeduldig heraus.
Cemaach nickte nur.
Das Haus bestand aus einem einzigen Raum, der in mehrere Bereiche unterteilt war, die durch Energievorhänge voneinander getrennt werden konnten. Der Wohnbereich war eine gekonnte Synthese aus Zweckmäßigkeit und Behaglichkeit, technische Instrumente, wie ein Syntronterminal, waren vortrefflich in den Luxus für den Intimbereich integriert. „Dir ist bekannt, daß ich früher in der Abteilung für Geschichtskorrekturen gearbeitet habe?" sagte Cemaach, während er Daarshol Platz anbot und sich selbst vor das Terminal setzte und es aktivierte.
Augenblicklich entstand mitten in der Luft ein Laserkubus mit einer Kantenlänge von eineinhalb Metern. „Du meinst wohl das Amt für Geschichtsforschung", versuchte Daarshol zu komgieren. „So heißt es offiziell", sagte Cemaach, „aber dort wird nichts anderes getan, als die Historie der Milchstraße verfälscht. Im Moment sind aus mir unbekannten Gründen die Daten über Lokvorth und das Humanidrom an der Reihe. Es war darum gar nicht leicht, die Unterlagen zu beschaffen."
„Ich weiß", sagte Daarshol, der aus schmerzlicher Erfahrung sprach. „Wie ist es dir
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