1498 - Horrortrip des Sensenmannes
Augenblicken nur Kinderkram für mich, denn schlimm war etwas anderes. Ein Bild, das man eigentlich niemals vergessen konnte.
Ich hatte den Toten deshalb nicht gesehen, weil mir der Schreibtisch die Sicht genommen hatte. Jetzt sah ich ihn, und ich sah auch, was mit ihm geschehen war.
Eine Bleiladung hatte ihm die Hälfte des Kopfes weggerissen.
Das Bild war so grausam, dass ich schnell wegschauen musste.
Erst jetzt wurde mir richtig klar, welch ein Glück die Detektivin gehabt hatte. Sie war weder von der Ladung noch von der mörderischen Sense getroffen worden.
In meiner Umgebung hatte sich die Stille des Todes ausgebreitet.
Ich kam mir vor, als wäre ich in ein Meer eingetaucht, was jedoch nicht lange anhielt, denn ich hörte die Trittgeräusche links von mir und drehte mich langsam um.
Jane hatte sich wieder gefangen. Sie ging wie eine Schlafwandlerin, eingetaucht in schreckliche Erinnerungen, die auch mich hatten blass werden lassen.
Ich nahm sie in die Arme, hörte ihre pumpenden Atemzüge und dann ihre schwache Stimme.
»Es war furchtbar, John. Unglaublich schlimm. Ich hätte nicht gedacht, dass ich da noch lebend wegkommen würde.«
»Ich weiß.«
»Du hast ihn gesehen?«
Ich wusste, wen Jane meinte. Sie hatte die Frage gestellt, ohne auf eine bestimmte Stelle zu schauen.
»Ja, das habe ich.«
»Ich war Zeuge. Der Sensenmann hat mit einer Waffe geschossen, die ich nicht kenne. Sie hatte ein Bündel von Läufen und verschoss gehacktes Blei wie eine Schrotflinte. Mehr weiß ich auch nicht dar über. Aber sie hat Tod und Verderben ausgespien.«
»Ist es dein Schulfreund?«
»Ja, John, das ist Phil Bennett, und ich habe ihn quasi in den Tod geschickt. Das ist grauenhaft.«
»Nein, so darfst du nicht denken. Lass uns jetzt erst mal von hier verschwinden. Außerdem möchte ich nicht, dass es noch weitere Opfer gibt. Wir müssen uns etwas einfallen lassen.«
»Du hast recht.« Jane löste sich von mir. Dem Toten drehte sie den Rücken zu und strich sich die Haare aus der Stirn.
Ich aber wusste, dass noch ein verdammt hartes Stück Arbeit vor mir lag…
***
Es war gut, dass sich Jane Collins inzwischen in der Schule einigermaßen auskannte. So waren wir in das Zimmer gegangen, das vor kurzem noch von Phil Bennett bewohnt worden war. Jetzt war er tot, wie auch Mabel Cramer, über die wir ebenfalls sprachen.
Jane hatte Mineralwasser geholt und zwei Gläser gefüllt. Wir saßen uns gegenüber, und sie sagte mit leiser Stimme: »Das ist noch nicht das Ende gewesen, John, ich weiß es. Nein, es wird weitergehen. Er wird killen, bis er sein Ziel erreicht hat. Zumindest noch eine Person.«
»Okay«, sagte ich. »Wenn du das annimmst, heißt das, dass du mehr weißt.«
»Ja, so ist es. Hier geht es um eine alte Legende. Um eine Geschichte, die von Mord und Totschlag handelt. Von Vergewaltigung wahrscheinlich, einer großen Feigheit und einem Gericht, das nicht neutral gewesen ist.«
»Das hört sich ungewöhnlich an.«
Jane nickte. »Das ist es auch, John. Mehr als ungewöhnlich sogar. Ich bin mit Phil ins Archiv gegangen, um die alten Unterlagen zu suchen. Was damals passierte, ist schriftlich festgelegt worden. Ich habe es zusammen mit Phil in den alten Unterlagen gefunden und weiß jetzt, worum es ging.«
Mein Nicken forderte Jane auf, weiterzusprechen, und so erfuhr ich, welches Drama sich hier vor langer Zeit abgespielt hatte. Drei Schüler hatten ein junges Mädchen vergewaltigt, gequält und es förmlich ausbluten lassen. Anschließend hatten sie es in den nahen See geworfen. Bestraft worden waren sie nicht, denn ihre Väter hatten zu gute Beziehungen. Außerdem war die Leiche nie gefunden worden.
Danach allerdings hatte der Schrecken begonnen. Die drei Täter waren nacheinander von dem Sensenmann auf seinem schwarzen Pferd geköpft worden. Auch später war er hin und wieder bei Vollmond aufgetaucht und hatte den Menschen hier Angst eingejagt.
»Kennst du den Namen der Toten?«
»Sie hieß Lena.«
»Und sie war auch hier auf der Schule?«
»Ja. Aber wie sie sich den anderen Schülern gegenüber verhalten hat, weiß ich nicht. Es stand auch nicht sehr viel in den Unterlagen. Sie war wohl verschlossen und galt als Einzelgängerin. Heute hat sie sich endgültig gerächt und zwei Menschen umgebracht.«
»Welche Personen befinden sich noch hier in der Schule, abgesehen von uns und wie ich von zwei Schülerinnen gehört habe, insgesamt fünf Schülern?«
»Keiner mehr, glaube ich.«
»Weiß
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