1498 - Horrortrip des Sensenmannes
sich von ihrem Bett, stand auf und trampelte mehrmals auf den Boden.
Das hörte selbst ihre Freundin Lucy, deren Ohren unter einem Kopfhörer versteckt waren. Sie nahm das Ding ab und stellte die Musik ab. »He, was ist los mit dir?«
Farah schnaufte und ließ sich wieder auf ihr Bett fallen. Allerdings blieb sie sitzen und legte sich nicht hin. Stattdessen schüttelte sie den Kopf und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Nach einer Weile ließ sie sie wieder sinken und flüsterte: »Ich weiß es auch nicht, Lucy. Verdammt, ich kann es nicht erklären, aber ich sage dir ehrlich, dass ich eine irre Angst habe.«
»Und wovor?«
Farah schaute ihre Freundin an. »Keine Ahnung.«
»Also bitte.« Lucy war leicht sauer. »Du erzählst mir hier vielleicht was. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn du mir schon damit kommst, dann musst du auch konkret werden.«
»Das kann ich einfach nicht.«
»Und trotzdem hast du Angst?«
»Ja.«
»Warum?«
Farah sprang auf. »Scheiße, das weiß ich doch auch nicht!« Sie deutete auf ihren Bauch. »Darin rumort es, und um mein Herz herum ist es eng geworden. Ich kriege fast keine Luft mehr, so sehr hat sich alles zusammengezogen.«
»Wirst du krank?«
»Nein, nicht körperlich.«
»An der Seele?«
Farah winkte ab. »Ich weiß nicht, ob man das so nennen kann. Jedenfalls habe ich mich selten so schlecht gefühlt wie heute. Ich weiß den Grund nicht, das stimmt schon, aber ich fühle, dass es Probleme geben wird. Und davon kannst auch du mich nicht abbringen.«
»Das will ich auch nicht. Ich möchte dir nur helfen.«
»Danke, ja, das weiß ich.« Farah lächelte und nahm ihre Freundin in die Arme. »Entschuldige, wenn ich dir auf die Nerven gegangen bin. Aber ich bin nun mal so, und ich kann meine Gefühle schlecht für mich behalten, wenn ich nicht allein bin.«
»Das macht doch nichts. Es ist alles okay. Wir bringen das schon hinter uns. Es ist auch komisch, wenn die Schule so leer ist. Da kommen einem Gedanken, die einem zusetzen.«
»Klar, da brauche ich nur an den Sensenmann zu denken, an die alte Legende, die alles andere als lustig ist.«
»Glaubst du wirklich daran?« fragte Lucy.
»Ich denke schon.«
»Und dann?«
»Es gibt ihn, diesen Sensenmann. Ich glaube nicht, dass man sich die Geschichte nur ausgedacht hat.«
»Na ja, ich jedenfalls habe ihn noch nie gesehen.«
»Sei froh«, sagte Farah. Nach diesen Worten ging sie zum Fenster.
Das Zimmer lag in der ersten Etage. Die männlichen Schüler wohnte noch eine Etage höher. Dort war es ebenso still wie auf dem Flur der Mädchen.
»Es wird diesig, Lucy.«
»Das ist normal bei diesem Wetter. Nicht richtig kalt, dafür aber ziemlich feucht.«
»Mir macht das Wetter Angst.«
»Warum denn?«
»Darin kann sich so manches verbergen.« Farah öffnete das Fenster und beugte sich hinaus. Sie schaute nach unten und sah den Rover neben dem Golf parken.
»Der Typ ist immer noch hier.«
»Wen meinst du?«
»Der mit dem Rover gekommen ist.«
»Und?«
»Ich meine nur.«
Lucy Warren lachte. »Nein, du meinst nicht nur. Du fragst dich, was er hier zu suchen hat.«
»Auch das.«
»Er will sich ja hier mit dieser Collins treffen.«
»Das hat er wenigstens behauptet.«
Lucy musste lachen. »Ist doch egal. Was regst du dich auf?«
»Das tue ich ja gar nicht.« Sie räusperte sich und wollte sich wieder umdrehen, was ihre Freundin genau mitbekam. Lucy sah auch, wie Farah mitten in der Bewegung erstarrte.
»Verdammt, was hast du?«
Lucy erhielt in den folgenden Sekunden keine Antwort. Aber Farah rührte sich nicht von der Stelle. Sie schaute nach wie vor aus dem Fenster und fuhr durch ihr Gesicht. Dabei stöhnte sie leise auf, was Lucy schon beunruhigte.
»Sag doch was!«
»Komm her!« flüsterte Farah hastig. »Verdammt noch mal, das darf nicht wahr sein!«
Jetzt war Lucy alarmiert. Sie schoss von ihrem Bett hoch und drängte Farah zur Seite, weil sie freie Sicht haben wollte.
Sie wollte es nicht glauben, was sie sah. Sie hielt es erst für einen Spuk im dünnen Nebel. Aber das war er nicht, denn das Unglaubliche wurde für sie zu einer Tatsache.
Auf einem schwarzen Pferd, die Sense halb angehoben, ritt der Tod am Seeufer entlang…
***
Sekundenlang wurden beide Schülerinnen zu Puppen. So steif standen sie am Fenster. Sie konnten einfach nichts tun. Ihre Herzen schlugen laut, sodass sie die Echos im Kopf hörten. Vier Augen waren weit geöffnet, nur schien es kein Leben mehr darin zu geben.
Lucy Warren
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