1499 - Rattenwelt
Fahrertür zu öffnen, die allerdings von innen zugehalten wurde oder verriegelt war.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich im Golf Bewegungen sah.
Also lebte Edwin Proctor noch.
Die Frau war Clara Seymour, und sie hatte mich noch nicht gesehen. Hinzu kam, dass der rieselnde Schnee alle Geräusche schluckte, und so wühlte ich mich weiter voran. Ratten umkreisten mich. Ich hörte sogar ihr Fiepen, und genau das wurde auch von Clara vernommen. Es machte sie misstrauisch.
Sie drehte sich um!
Ein menschlicher Schrei wehte mir entgegen. Clara hatte mich erkannt. Ihre Arme zuckten vor Schreck in die Höhe, denn so schnell schien sie mich nicht erwartet zu haben.
Ich ging noch einen Schritt vor, dann stand ich still. Ich sah ihr an, dass der Schock ihr tief in die Glieder gefahren war. Sie konnte nichts mehr sagen, sie schüttelte den Kopf, und ich ging noch näher auf sie zu. Erst dann hörte ich ihr Krächzen und stellte fest, dass sie ihren starren Blick nicht von dem Kreuz vor meiner Brust wenden konnte.
Auch der Constabler hatte mich gesehen. Hinter der Scheibe deuteten seine Bewegungen Erleichterung an, und er tat sich selbst einen Gefallen, indem er im Golf blieb.
»Wo ist er?« fuhr ich Clara an.
»Wer?« brüllte sie zurück.
»Dein King!«
Sie lachte mich an. »Er ist da, aber nicht hier. Er wartet darauf, dich vernichten zu können!«
»Ich ebenfalls. Also: Wo steckt er?«
Sie weigerte sich, mir eine Antwort zu geben, was ich auf keinen Fall akzeptieren konnte. Mit einem langen Schritt ging ich auf Clara zu.
Sie wollte abtauchen und wahrscheinlich weglaufen. Diesmal war ich schneller. Ich bekam sie zu packen, zerrte sie zur Seite auf die Kühlerhaube zu und warf sie rücklings darauf.
Schnee geriet in Bewegung und rutschte ab. Ich ließ die Seymour nicht los.
Mit der linken Hand, die dicht unter ihrer Kehle lag, drückte ich sie gegen das Blech. Da ich gebückt stand, baumelte mein Kreuz dicht über dem Gesicht der Rattenfreundin.
Sie konnte nicht sprechen, nur keuchen. Mit verdrehten Augen starrte sie das Kreuz an.
Ich wollte endlich wissen, warum sie davor eine so große Furcht hatte. Wenn ich diesen Grund kannte, hatte ich wahrscheinlich die Lösung.
»Was ist los?« flüsterte ich scharf. »Warum hast du Angst vor dem Kreuz? Liegt es an diesem King?«
»Ja!« schrie sie.
»Dann fürchtet er es auch!«
»Ja!«
»Warum?«
»Er hasst es. Er hat es schon immer gehasst. Seit sehr, sehr langen Zeiten.«
Diese Antwort konnte zwar vieles bedeuten, aber sie hatte etwas in meinem Kopf zum Klingen gebracht.
Es gab nicht wenige Menschen, die ein Kreuz hassten. Die es anspieen, die es zu Boden warfen. Aber dieser Hass war relativ oberflächlich. Sie wussten ja, dass ihnen das Kreuz keinen körperlichen Schaden zufügen konnte.
Bei den Dämonen war dies anders. Und besonders bei einer bestimmten Art von Dämonen. In den Ratten steckte bereits der Keim.
Clara war noch nicht so stark infiziert worden, obwohl sie auf der anderen Seite stand. Aber ihr King, vielleicht sogar selbst eine Ratte, sah das anders.
Sicherlich war er stark und mächtig. Einer, der sich über menschliche Waffen amüsierte, nicht aber über das geweihte Kreuz, das mein Talisman war.
Es gab eine Gruppe von Urdämonen, die durch das Kreuz vernichtet werden konnten. Diese Wesen hatten sich im Laufe der Zeit den Menschen angepasst. Sie waren nicht von ihnen zu unterscheiden.
Aber es gab sie noch in einer zweiten Gestalt, in ihrer Urgestalt, wie sie am Beginn der Zeiten von Luzifer erschaffen worden waren.
Sie hatten auch einen Namen: Kreaturen der Finsternis!
Es gab für mich einfach keine andere Erklärung, dennoch wollte ich sicher sein und sprach Clara auf dieses Thema an.
»Ist dein King eine Kreatur der Finsternis? Ist er ein Geschöpf, das sich in zwei Gestalten zeigen kann?«
Sie lachte girrend. »Ich weiß es nicht, wer und was die Kreaturen der Finsternis sind. Ich mag ihn. Er hat mich ausgesucht. Er gibt mir die Macht über die Tiere. Ich stehe voll und ganz auf seiner Seite. Für mich ist er der Allergrößte. Er zeigt den Menschen ihre Grenzen auf. Er weiß genau, wann sie kuschen müssen, und sie werden vor mir kuschen, wenn ich mit meinen Freunden in Woodside einfalle.«
Ich hatte mir schon gedacht, dass sie diesen Plan verfolgte. Darauf ging ich nicht näher ein, weil für mich dieser King wichtiger war.
»Wo kann ich ihn finden?«
Clara prustete mir ihren Atem entgegen, zusammen mit Speicheltröpfchen,
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