1499 - Rattenwelt
gegen das Kreuz, und es wird nichts passieren, Jane.«
»Klar, wenn du damit eine normale Ratte meinst.« Sie deutete auf die Asche. »Aber dieser Nager ist nicht normal gewesen. Das wissen wir beide, John.«
»Jetzt schon. Und was sind sie?«
»Wenn ich das wüsste.«
Ich ließ meinen Blick über das Wagendach gleiten und hielt nach weiteren Ratten Ausschau. Es gab keine mehr. Die anderen hielten sich zurück und würden vielleicht nach einer neuen Möglichkeit Ausschau halten, um an uns heranzukommen.
»Jetzt kann ich mir beinahe denken, warum sie dich nicht früher angegriffen hat, John. Sie hat das Kreuz vor deiner Brust gespürt. Etwas anderes kann es nicht sein. Nur das Kreuz, und das hat dir das Leben – nun ja, nicht gleich gerettet, aber schon leichter gemacht, finde ich.«
»Stimmt. Man hat die Ratte manipuliert. Man hat sie dämonisch beeinflusst, und nicht nur sie.« Ich warf Jane einen bezeichnenden Blick zu.
»Verstehe, du denkst an die anderen Tiere.«
»Genau daran denke ich. Ich glaube nicht, dass nur eine Ratte unnormal ist.«
»Ja, ich denke ebenso.«
Wir brauchten uns nicht abzustimmen, was wir unternehmen sollten. Wir wussten ja, was wir vorhatten. Woodside lag nicht weit entfernt, für uns nicht und leider auch nicht für die veränderten Ratten.
»Sie sind bestimmt auf der Wanderschaft«, sagte Jane, »und das nächste Ziel liegt nicht weit entfernt.«
»Da sagst du was.«
»Hinfahren und die Menschen warnen?«
Ich nickte und schränkte zugleich ein. »Falls sie nicht schon von dieser Pest befallen sind.«
Jane Collins erbleichte leicht.
»Ich hoffe nicht«, erwiderte sie leise und stieg ein.
Ich ließ mir noch ein wenig Zeit und schaute mir noch mal die Umgebung an.
Es war keine einzige Ratte zu sehen. Beruhigt war ich deshalb trotzdem nicht…
***
Wir fuhren den Rest der Strecke zwar nicht im Schritttempo, aber viel fehlte nicht. Auf keinen Fall wollten wir uns etwas entgehen lassen, aber die Gegend präsentierte sich völlig normal. Über ihr lag der graue Schneehimmel wie ein riesiger Waschlappen, der sich immer mehr mit Feuchtigkeit voll zu saugen schien.
Diesen Sonntag würde ich so leicht nicht vergessen, das stand fest.
Jane schwieg. Es war ihr anzusehen, dass sie überlegte. Die Straße beschrieb eine weit gezogene Linkskurve. An den Straßenseiten wuchsen jetzt kahle Büsche. Ihre Zweige sahen aus, als wären sie von Rattenzähnen abgefressen worden, aber einen der Nager bekamen wir nicht mehr zu sehen.
Dafür schauten wir nach der Kurve auf den Ort Woodside, der noch völlig normal aussah. Der Rauch aus den Schornsteinen schwebte niedrig über die Dächer hinweg. Stolz reckte sich der Kirchturm in die Höhe, und es war auch zu sehen, dass Woodside nicht ausgestorben war, denn in den Straßen und Gassen bewegten sich Autos und Fußgänger.
Etwas war in fast allen Orten unserer Welt gleich. Bevor man hineinfuhr, stieß man auf eine Tankstelle. Das war auch hier der Fall.
Sie lag an der linken Straßenseite, und Jane Collins bog auf das Gelände ein.
Etwas hintersinnig fragte ich: »Willst du tanken?«
»Ja, warum fahre ich sonst hierher?«
»War nur eine Frage.«
»Hör auf, ich kenne dich. Aber ich kann dich beruhigen. Ich habe den gleichen Gedanken verfolgt wie du. Tankwarte hören oft das Gras wachsen. Da sind sie wie Friseure und Wirte. Vielleicht hat er etwas über Ratten gehört oder sie sogar gesehen.«
»Okay, fragen wir nach.«
Jane lenkte den Golf auf das Gelände. Wir passierten zwei Autos, die zum Verkauf angeboten wurden. Aber als ich sie mir so anschaute, konnte ich nur den Kopf schütteln. Diese alten Rostlauben würden wohl keinen Käufer finden.
Es gab vier Anlagen mit Zapfsäulen. Zwischen ihnen befand sich ein breiter Weg, auf dem sich die Fahrzeuge nicht in die Quere kamen, wenn sie nebeneinander standen.
Wir stiegen beide aus. Natürlich schauten wir uns wieder um, aber es war keine Ratte zu sehen, die über den Boden gehuscht wäre, um uns zu attackieren.
»Willst du tanken, John?«
Jane hatte mit einem Unterton in der Stimme gefragt, den ich nicht hatte überhören können, deshalb grinste ich und stimmte zu.
»Dann gehe ich mal hinein zu diesem Tankwart.«
»Tu das.«
Jane verschwand in einem Bau, der zwar große Glasscheiben hatte, die aber nicht überall durchsichtig waren. Fast die Hälfte davon war von innen mit gefüllten Regalen zugestellt.
Ich tankte, ließ den Sprit laufen und hatte Zeit, meine Blicke schweifen zu
Weitere Kostenlose Bücher