14a Stephanie Plum: Der Winterwundermann (Visions of Sugar Plums)
ist noch Platz«, sagte Albert Kloughn. »Ich kann mich noch ein bisschen dünner machen.«
Mein Vater hatte bereits Lasagne auf seinem Teller. Meinem Vater wurde immer zuerst aufgegeben, weil alle hofften, er wäre dann so mit seinem Essen beschäftigt, dass er nicht von seinem Stuhl aufspringen und Grandma Mazur an die Gurgel gehen würde. »Wo ist die Soße?«, fragte er. »Wo bleibt die Soßenschüssel?«
Angie reichte die Tomatensoße ihrer Schwester Mary Alice. Mary Alice hatte Probleme, ihre Hufe um die Soßenschüssel zu legen, in der Luft geriet die Schüssel ins Wanken, krachte dann nieder auf den Tisch und löste einen Tomatensoßen-Tsunami aus. Grandma beugte sich weit vor, um die Schüssel aufzufangen, haute dabei aber einen Kerzenständer um, worauf die Tischdecke in Flammen aufging. Es war nicht das erste Mal, dass so etwas passierte.
»Hilfe! Feuer!«, kreischte Kloughn. »Feuer! Feuer! Willst du uns alle umbringen?«
Mein Vater blickte kurz auf, schüttelte den Kopf, als hätte er nichts mit diesen Leuten zu tun, und schaufelte weiter seine Lasagne in sich hinein. Meine Mutter bekreuzigte sich wieder. Und ich schüttete aus einem Krug Wasser auf den Tisch und löschte das Feuer.
Diesel grinste. »Ich liebe diese Familie. Diese Familie muss man einfach lieben.«
»Nimm dir noch ein Stück Lasagne!«, sagte meine Mutter zu Valerie. »Sieh dich an. Du bestehst beinahe nur noch aus Haut und Knochen.«
»Das kommt, weil sie kotzen muss, wenn sie was gegessen hat«, sagte Grandma.
»Ich habe irgendeinen Virus«, sagte Valerie. »Ich werde leicht nervös.«
»Vielleicht bist du schwanger«, sagte Grandma. »Deine morgendliche Übelkeit hat sich auf den ganzen Tag ausgedehnt.«
Kloughn wurde weiß und kippte vom Stuhl. Plumps. Auf den Boden.
Grandma sah zu ihm hinunter. »Männer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.«
Valerie hielt sich die Hände vor den Mund und lief aus dem Zimmer, die Treppe hoch zur Toilette.
»Heilige Muttergottes«, sagte meine Mutter.
Kloughn schlug die Augen wieder auf. »Was ist passiert?«
»Sie sind ohnmächtig geworden«, sagte Grandma. »Sie sind wie ein Sandsack umgekippt.«
Diesel stand von seinem Stuhl auf und griff Kloughn unter die Arme. »Nicht schlecht, Kumpel«, sagte Diesel.
»Danke«, sagte Kloughn. »Ich bin sonst eigentlich ganz robust. Liegt in der Familie.«
»Ich habe keine Lust mehr, hier zu sitzen«, sagte Mary Alice. »Ich will galoppieren.«
»Du wirst jetzt nicht galoppieren, mein Fräulein«, brüllte meine Mutter sie an. »Du bist kein Pferd. Du bist ein kleines Mädchen. Also benimm dich gefälligst wie eins! Sonst kannst du auf dein Zimmer verschwinden.«
Wir waren wie vom Donner gerührt. Meine Mutter brüllte sonst nie.
Es herrschte einen Moment Schweigen, dann fing Mary Alice an zu plärren. Die Augen waren fest zusammengekniffen, der Mund stand sperrangelweit offen. Ihr Gesicht war rot und fleckig, und Tränen liefen ihr über die Wangen aufs T-Shirt.
»Meine Fresse«, sagte mein Vater. »Stell doch mal einer das Kind ab!«
»He«, sagte Diesel zu Mary Alice. »Was wünschst du dir dieses Jahr zu Weihnachten?«
Mary hörte auf zu plärren, doch jetzt würgte sie Luft und stieß auf. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase. »Gar nichts will ich zu Weihnachten. Ich hasse Weihnachten. Weihnachten ist bekackt.«
»Irgendetwas musst du dir doch wünschen«, sagte Grandma.
Mary Alice schob mit der Gabel das Essen auf dem Teller hin und her. »Nein, ich wünsche mir nichts. Und ich weiß auch, dass es Santa Claus eigentlich gar nicht gibt. Santa Claus ist einfach nur eine blöde Erfindung.«
Darauf hatte niemand eine Antwort parat. Mary Alice hatte uns auf dem verkehrten Fuß erwischt. Santa Claus gibt es gar nicht. Sehr originell.
Diesel beugte sich ein Stück vor, stützte den Kopf auf den Händen ab und sah Mary Alice über den Tisch hinweg an. »Also ich sehe die Sache so, Mary Alice: Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es Santa Claus gibt oder nicht, aber es macht doch Spaß, so zu tun, als ob es ihn gäbe. Wir können uns entscheiden. Wir können an alles Mögliche glauben, was wir wollen.«
»Und du bist auch ziemlich bekackt«, sagte Mary Alice.
Diesel legte einen Arm um meine Schultern und neigte sich zu mir herüber, sein warmer Atem streifte mein Ohr. »Klug von Ihnen, dass Sie sich für einen Hamster entschieden haben«, sagte er.
Rechtzeitig zum
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