14a Stephanie Plum: Der Winterwundermann (Visions of Sugar Plums)
schnell laufen können. Wir konnten keinen Einzigen von ihnen fassen. Wir kamen am Tatort an, und sie sind sofort geflüchtet, wie die Kakerlaken, wenn das Licht angeht.«
»Wie ist das Feuer ausgebrochen?«
Carl zuckte die Schultern und sah zu Diesel. »Wer ist denn das?«
»Diesel.«
»Weiß Joe Bescheid?«
»Diesel ist nicht von hier.« Diesel kommt von weit weg, sehr weit weg. »Wir arbeiten zusammen an einem Fall. Es geht um einen Kautionsflüchtling.«
Mehr ließ sich jetzt hier auch nicht in Erfahrung bringen, wir verabschiedeten uns von Carl und Big Dog und gingen zurück zum Auto. Die Sonne hatte sich gerade verzogen aus Trenton, die Straßenbeleuchtung war eingeschaltet und die Temperatur um etliche Grad gesunken. Meine Füße waren nass, weil ich zweimal durch Löschwasser gestapft war, und meine Nase war taub, eingefroren wie ein Eiszapfen.
»Fahren Sie mich nach Hause«, sagte ich zu Diesel. »Ich bin erledigt.«
»Was? Kein Shopping mehr? Kein Weihnachtslied? Soll Ihre Schwester Sie bei dem Wettrennen um das schönste Geschenk ausstechen?«
»Ich gehe morgen einkaufen. Ehrlich, ich schwöre es.«
Diesel stellte den Wagen auf dem Mieterparkplatz hinter meinem Haus ab und stieg aus.
»Sie brauchen mich nicht bis zur Tür zu begleiten«, sagte ich. »Sie wollen doch sicher die Suche nach Ring fortsetzen.«
»Nö. Ich habe jetzt Feierabend. Ich dachte, wir essen einen Happen zusammen und hängen dann vor der Glotze ab.«
Im ersten Moment verschlug es mir die Sprache. Irgendwie hatte ich mir den Abend anders vorgestellt. Erst wollte ich mich unter die glühend heiße Dusche stellen, bis ich ganz schrumpelig war. Dann wollte ich mir ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marshmallowaufstrich machen. Ich esse gerne Erdnussbutter mit Marshmallows, die beiden sind wie Hauptgericht und Nachtisch in einem, und man verbraucht keinen Kochtopf. Nach dem Essen würde ich vielleicht ein bisschen fernsehen, wenn ich Glück hatte, sogar zusammen mit Morelli.
»Tolle Idee«, sagte ich, »aber ich habe heute Abend schon was vor. Vielleicht ein anderes Mal.«
»Was haben Sie denn vor?«
»Ich treffe mich mit Morelli.«
»Wirklich?«
»Ja.« Nein. Vielleicht. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig. »Außerdem will ich unbedingt duschen.«
»Sie können ja duschen, während ich mich ums Abendessen kümmere.«
»Können Sie kochen?«
»Nein«, sagte er. »Aber einen Lieferservice anrufen.«
»Ich hätte kein gutes Gefühl, wenn Sie sich in meiner Wohnung aufhalten.«
»Ich dachte, Sie hätten sich langsam an Super-Diesel gewöhnt.«
Der alte Mr. Feinstein schlurfte auf seinem Weg zum Auto an uns vorbei. »Hallo, mein Täubchen. Brauchen Sie Hilfe? Der Mann sieht irgendwie durchtrieben aus.«
»Wie finden Sie das?«, fragte ich Diesel. »Sie sehen durchtrieben aus.«
»Durchtrieben? Ich bin ein Softie«, sagte Diesel. »Ich habe Sie bis jetzt nicht ein einziges Mal angemacht. Gut, vielleicht ein bisschen rumgeschäkert, aber nichts Ernstes. Ich habe Sie auch nicht begrapscht … so zum Beispiel.« Er packte mich am Jackenaufschlag und zog mich zu sich heran. »Und geküsst habe ich Sie auch nicht … so zum Beispiel.« Er küsste mich.
Mir kringelten sich die Fußnägel. Eine Hitzewelle schwappte durch meinen Magen und setzte sich untenrum fort.
Mist.
Er ließ ab von meinen Lippen und lachte mich an. »Das habe ich alles noch nicht gemacht, oder?«
Ich rammte ihm beide Fäuste in die Brust, aber es ließ ihn ungerührt, deswegen trat ich einen Schritt zurück. »Kein Küssen, kein Rummachen, nichts, gar nichts. Ist das klar?«
»Klar.«
Ich machte eine Geste, die »Ich gebe auf« bedeuten sollte, drehte mich um und ging ins Haus. Diesel kam hinter mir her, und schweigend standen wir vor dem Aufzug. Die Tür öffnete sich, und Mrs. Bestler lachte mir entgegen. Mrs. Bestler ist so ungefähr der älteste Mensch, den ich kenne. Sie wohnt allein im zweiten Stock, und wenn sie sich langweilt, spielt sie gerne Aufzugführerin.
»Fahrt aufwärts«, rief sie.
»Erster Stock, bitte«, sagte ich.
Die Aufzugtüren schlossen sich, und Mrs. Bestler stimmte ihren üblichen Singsang an: »Damenhandtaschen, Weihnachtsmarkt, Kleidung für den gehobenen Geschmack.« Sie sah mich an und schimpfte mit erhobenem Zeigefinger. »Nur noch drei Tage zum Geschenke kaufen.«
»Ich weiß. Ich weiß«, sagte ich. »Morgen erledige ich meine Einkäufe. Versprochen.«
Diesel und ich traten aus dem Aufzug, und Mrs.
Weitere Kostenlose Bücher