14a Stephanie Plum: Der Winterwundermann (Visions of Sugar Plums)
Bestler setzte ihre Litanei fort. »Sieht alles schon sehr weihnachtlich aus«, sagte sie, als wir den Flur entlanggingen.
»Jede Wette, dass die Frau mindestens achtzig ist«, sagte Diesel und öffnete meine Wohnungstür.
Es war dunkel in meiner Wohnung, nur die blaue Digitalanzeige an meinem Mikrowellenherd leuchtete, und das rote Lämpchen an meinem Anrufbeantworter blinkte.
Rex schnurrte in seinem Hamsterrad, sein Käfig stand auf dem Küchentresen. Das leise Surren beruhigte mich immer, Rex ging es gut, und wahrscheinlich hatten sich auch keine Bridge-Trolle in meinen Kleiderschrank eingenistet. Ich machte das Licht an, und sofort hörte Rex auf zu laufen und blinzelte mich an. Erleichtert warf ich Rex ein paar Froot Loops aus dem Karton auf dem Tresen in den Käfig, und Rex grinste zufrieden.
Ich drückte den Abspielknopf an meinem Anrufbeantworter und knöpfte mir die Jacke auf.
Erste Nachricht: »Hallo, ich bin’s, Joe. Ruf mich zurück.«
Zweite Nachricht: »Stephanie? Hier ist deine Mutter. Du hast dein Handy nicht eingeschaltet. Ist irgendwas? Wo bist du?«
Dritte Nachricht: »Joe noch mal. Ich schaffe es nicht, heute Abend noch vorbeizukommen, die Arbeit hält mich fest. Ruf nicht zurück. Ich kann nicht immer frei sprechen. Ich rufe dich an, sobald ich kann.«
Vierte Nachricht: »Meine Güte, wo steckst du?«, sagte Morelli.
»Also nur Sie und ich, ganz allein«, stellte Diesel grinsend fest. »Gut, dass ich da bin. Sonst wären Sie einsam.«
Das Schlimme an der Sache: Er hatte recht. Ich stand kurz davor, in eine handfeste Weihnachtsdepression zu fallen. Weihnachten drohte mir mal wieder zu entgleiten. Fünf Tage, vier Tage, drei Tage … und ehe ich mich versah, stand Weihnachten vor der Tür und würde ohne mich vorübergehen. Dann müsste ich wieder ein ganzes Jahr warten, um einen erneuten Versuch mit Geschenkpapier und Paketschleifen, Süßigkeiten und Weihnachtspunsch zu starten.
»Weihnachten besteht nicht nur aus Geschenken und dem ganzen Flitterkram«, sagte ich zu Diesel. »Es ist der gute Wille, auf den es ankommt, stimmt’s?«
»Falsch. Sie haben ja keine Ahnung. Weihnachten dreht sich alles um Geschenke. Der Tannenbaum gehört ebenso dazu wie die Feiern bei der Arbeit.«
»Glauben Sie das wirklich?« »Von dem religiösen Kram, auf den ich nicht näher eingehen will, mal abgesehen … Ich glaube, Weihnachten ist das, was jeder für sich daraus macht. Daran glaube ich fest. Jeder entscheidet für sich, was für Erwartungen er an das Weihnachtsfest hat. So erhält jeder die Chance, dass sich das Weihnachtsgefühl einstellt.«
»Und wenn man es jedes Jahr vermasselt? Wenn man sich sein Weihnachten jedes Jahr versaut?«
Er legte einen Arm um meine Schulter. »Versauen Sie sich gerade Ihr Weihnachten, meine Liebe?«
»Irgendwie komme ich nie damit klar.«
Diesel sah sich um. »Ist mir schon aufgefallen. Keine Lichterketten, kein Adventskranz. Keine Rauschgoldengel, keine Elchschlitten, kein Nippes, kein Schnickschnack.«
»Ich hatte mal viel Weihnachtsschmuck, aber dann gab es einen Brandanschlag auf meine Wohnung, da ist alles in Rauch aufgegangen.«
Diesel schüttelte den Kopf. »Mein herzliches Beileid.«
Schweißgebadet wachte ich auf. Ein Albtraum plagte mich. Nur noch zwei Tage bis Weihnachten, und noch immer hatte ich kein einziges Geschenk gekauft. Im Geist schlug ich mir an den Kopf. Es war kein Albtraum. Es war Wirklichkeit. Nur noch zwei Tage bis Weihnachten.
Ich sprang aus dem Bett und huschte ins Badezimmer. Ich duschte schnell und trocknete mir die Haare mit meinem Powerföhn. Ihh! Sah das blöd aus. Ich zähmte sie mit etwas Gel, zog mir meine Tageskluft an, Jeans, T-Shirt und Boots, und ging in die Küche.
Diesel lehnte am Spülbecken, in der Hand eine Kaffeetasse. Auf dem Tresen stand eine weiße Bäckertüte, und Rex war schon wach und knabberte sich gemütlich bis zum Marmeladenkern eines Donuts vor.
»Morgen, Sonnenscheinchen«, sagte Diesel.
»Nur noch zwei Tage bis Weihnachten«, sagte ich. »Zwei Tage! Und von Ihnen wünsche ich mir, dass Sie sich nicht andauernd Zutritt zu meiner Wohnung verschaffen!«
»Ja, ja. Haben Sie dem Christkind schon Ihre Wunschliste übergeben? Waren Sie etwa nicht artig?«
Es war noch zu früh am Morgen für ein genervtes Augenverdrehen, ich versuchte es trotzdem. Ich goss mir Kaffee ein und nahm mir einen Donut.
»Nett von Ihnen, dass Sie Donuts mitgebracht haben«, sagte ich. »Aber Rex kriegt davon hohle
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