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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihren Krallen gepackt hatten.“
    „Hm! Waren diese Krallen etwa in den Hals eingedrungen gewesen?“
    „Was denkst du! Die Geister können kein Blut ersehen. Sie verursachen niemals eine Wunde. Sie verletzen nicht einmal die Haut. Aber man erblickte ganz deutlich die Spuren der Krallen. Mir schauderte vor der Leiche; aber ich habe sie dennoch ganz genau betrachtet, und viele andere taten es.“
    „Wie sahen denn diese Krallenspuren aus?“
    „Wie lange, schmale, rotunterlaufene Eindrücke, hinten zwei und vorn acht.“
    „Habe es mir gedacht.“
    „Hast du denn auch einmal einen gesehen, der von den Geistern umgebracht worden ist?“
    „Nein, niemals. Die Geister meines Vaterlandes bringen keinen Menschen um. Sie sind sehr friedfertiger Natur. Es gibt ihrer drei Arten. Man nennt sie Plagegeister, Schöngeister und Salmiakgeister. Nur die erstere Sorte kann unbequem werden. Die andern tun nichts.“
    „Wie glücklich ist dein Vaterland, Effendi, daß es nur solche Geister hat! Die unserigen sind böser, viel böser. Sie drehen einem gleich den Hals um. Dann ist man tot.“
    „Ja, ich glaube selbst, daß man dann tot ist.“
    „Natürlich! Darum bitte ich dich um Allahs willen, ja nicht des Nachts auf diesen bösen Berg zu steigen. Du müßtest sonst auch als Leiche herabgeholt werden.“
    „Nun, ich werde es mir überlegen.“
    „Da gibt es gar nichts zu überlegen. Wenn jemand mich fragt, ob ich leben bleiben oder ob ich sterben will, so habe ich gar nicht zu überlegen. Ich bleibe leben.“
    „Gut! Auch ich werde leben bleiben!“
    „So ist es recht! Nun wird mir das Herz wieder leicht. Du hast mir große Angst gemacht.“
    „So wollen wir gar nicht mehr von der Ruine reden. Sage mir lieber, ob es in Ostromdscha einen Menschen gibt, den man den alten Mübarek nennt!“
    „Freilich gibt es ihn.“
    „Kennst du ihn?“
    „Sehr genau.“
    „Ist es auch für mich möglich, ihn zu sehen?“
    „Wenn er daheim ist, ja. Jeder darf zu ihm.“
    „So warst auch du bei ihm?“
    „Oft. Ich habe ihm manchen Piaster hingetragen.“
    „Wofür?“
    „Für seine Heilmittel.“
    „Ah, er ist ein Hekim?“
    „Nein.“
    „Oder ein Apotheker?“
    „Auch nicht. Er ist ein Heiliger.“
    „Aber ein Heiliger handelt doch nicht etwa mit Heilmitteln?“
    „Warum nicht? Wer sollte es ihm verbieten? Niemand. Alle Leute sind im Gegenteil froh, daß der alte Mübarek da ist. Wo kein Hekim und kein Apotheker helfen kann, da hilft er gewiß.“
    „Also hat er auch dir geholfen?“
    „Sogar sehr, sehr oft, mir, den Meinen und auch meinem Vieh.“
    „So ist er also Arzt für Tiere und für Menschen. Das ist höchst interessant.“
    „Oh, er selbst ist noch viel interessanter.“
    „Wieso?“
    „Er ist über fünfhundert Jahre alt.“
    „Soll ich erschrecken?“
    „Nein, du brauchst nicht zu erschrecken. Es ist sehr wahr.“
    „Aber ich glaube es nicht.“
    „Sage ihm das nicht, sonst bist du verloren!“
    „Ist es denn so gefährlich, von ihm zu reden?“
    „Ja. Er hat einen Geist, welcher überall umherfliegt, um zu hören, was man von dem alten Mübarek redet.“
    „Wunderbar! Höchst wunderbar! Weißt du nicht, ob man diesen Geist sehen kann?“
    „Natürlich! Er hat ihn ja bei sich. Es ist ein sehr großer Rabe, schwarz wie die Nacht.“
    „Hm! Hat er nicht auch eine große, schwarze Katze bei sich?“
    „Allerdings! Woher weißt du das?“
    „Ich vermute es. Warst du auch in seinem Gemach, in welchem er seine Mittel bereitet?“
    „Ja. Aber woher weißt du denn, daß er ein besonderes Gemach dazu hat?“
    „Auch das vermute ich. Hast du dort nicht die ausgestopften Vögel gesehen?“
    „Ja.“
    „Die Schlangen?“
    „Auch.“
    „Die Unken in den Gläsern? Die Fledermäuse, welche an der Decke hängen?“
    „Allah w' Allah! Ja, ja!“
    „Sodann die Totenköpfe und Totenknochen?“
    Bei einer jeden Frage, welche ich stellte, wurde sein Gesicht erstaunter.
    „Herr“, rief er jetzt, „kennst du den Mübarek?“
    „Nein.“
    „Aber du weißt ja ganz genau, wie es in seinem Gemach aussieht.“
    „Das kommt daher, weil ich andere Mübareks kennengelernt habe.“
    „Hat denn jeder Mübarek ein solches Gemach?“
    „Die meisten haben ein solches. Ja, es hat auch viele gegeben, welche mehrere hundert Jahre alt waren.“
    „Und bei diesem glaubst du es nicht?“
    „Nein, gewiß nicht.“
    „So begreife ich es nicht.“
    „Ist dieser Mann schon lange bei euch?“
    „Nein. Erst seit sechs

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