15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
nicht nachgedacht und auch nicht ähnliches gesehen hat, der kann da weder ja noch nein sagen.“
„Aber ich sage ja!“ meinte Halef, der alles mit angehört hatte, wobei mir aus seinen Augen gar manch ein pfiffiger Blick zugekommen war.
„Du? Also du glaubst es?“
„Steif und fest.“
„Das wundert mich.“
„Warum, Sihdi?“
„Weil du meines Wissens auch noch niemanden kennengelernt hast, welcher die Macht gehabt hätte, sich unsichtbar zu machen.“
„Ich? Niemanden kennengelernt? O, Sihdi, wie befindest du dich da im Irrtum!“
„Nun, wann hast du eine solche Bekanntschaft gemacht?“
„Sehr oft, und zuletzt erst heute wieder.“
Ich ahnte, daß er wieder im Begriff stehe, eine seiner Schelmereien loszulassen. Darum schwieg ich. Der Türke aber fing sofort Feuer. Er glaubte einen Beleg zu seinem Aberglauben erlangen zu können, und fragte schnell:
„Heute? Etwa unterwegs?“
„O nein!“
„Dann wohl bei mir?“
„Du hast es erraten.“
„Allah! Bei mir hätte es einen gegeben, der auch so schnell unsichtbar geworden wäre?“
„Ja, bei dir.“
„Habe auch ich ihn gesehen?“
„Natürlich.“
„Etwa einer von den beiden Strolchen?“
„Fällt keinem von ihnen ein.“
„Nun, wer denn?“
„Der Eierkuchen. Du sahst ihn ganz deutlich bei mir eintreten; dann aber war er verschwunden.“
Der Wirt machte zunächst ein sehr verblüfftes, dann ein enttäuschtes und endlich gar ein zorniges Gesicht und rief dem Kleinen zu:
„Hadschi, du willst in Mekka, der Stadt des Propheten gewesen sein?“
„So ist es wirklich.“
„Das glaube ich nicht.“
„Willst du mich beleidigen?“
„Nein; aber dennoch sage ich, daß ich es nicht glaube.“
„Frage meinen Sihdi! Er weiß es sehr genau, denn er war – – –“
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, so daß er mitten in seiner Rede innehielt. Der Wirt war ein Moslem und brauchte nicht zu erfahren, was für ein Abenteuer wir damals bei dem Heiligtum der Mohammedaner erlebt hatten.
„Und wenn der Effendi es zehnmal beweisen kann“, antwortete der Türke, „so glaube ich es dennoch nicht.“
„Warum aber nicht?“
„Weil ein frommer Hadschi es verschmäht, einem Gläubigen eine solche Nase zu drehen. Ich habe dich für einen aufrichtigen, guten Menschen gehalten; aber du bist ein Nichtsnutz, welcher nur auf Späße sinnt.“
„Höre, du Sohn dieses schönen Flußtales, weißt du, wie ich heiße?“
„Ich habe es ja gehört!“
„Nun, wie denn?“
„Halef.“
„Das ist der Name, bei welchem mich nur meine ganz vertrauten Freunde rufen dürfen. Für andere aber heiße ich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah. Merke dir das!“
„So einen langen Namen kann sich niemand merken, wenigstens ich nicht.“
„Das beweist nur, daß dein Verstand ein sehr kurzer ist. Aber wenn du hörst, welch einen berühmten Namen ich habe, so wirst du wohl anders von mir denken lernen. Ich bin ein frommer Sohn des Propheten; aber ich weiß, daß das Leben nicht aus lauter Gebetsübungen bestehen kann. Allah will, daß seine Kinder sich freuen. Es ist also keine Sünde, sich einen Spaß zu machen, welcher keinem einen Schaden bringt. Wenn du mich aber wegen eines solchen kleinen Scherzes sogleich einen Nichtsnutz nennst, so ist das für mich eine Beleidigung, welche eigentlich nur mit Blut abzuwaschen ist. Da du aber unser Wirt bist und wir dir dankbar sein müssen, so will ich einmal meinen Grimm hinunterschlucken und dir verzeihen.“
Er brachte das in so drolliger Weise vor, daß der Wirt lachen mußte. Die Versöhnung ließ nicht auf sich warten.
„Hältst auch du meinen Glauben für lächerlich?“ fragte mich der zuletzt Genannte.
„O nein! Mag der Mensch das Richtige oder das Falsche glauben, so ist mir beides sehr ernst. Vielleicht sehe ich den alten Mübarek, und dann ist es wohl möglich, daß ich mir eine Meinung bilde. Wo wohnt er denn eigentlich?“
„Auf dem Berg.“
„Ah! Etwa bei der Ruine?“
„Nicht bei, sondern in derselben.“
„Das ist – ja, das ist mir freilich höchst interessant. Warum ist er denn da hinauf gezogen?“
„Um die bösen Geister zu bannen.“
„Das ist ihm aber leider nicht gelungen.“
„O doch!“
„Sie erscheinen ja immer wieder und drehen den Leuten das Gesicht auf den Rücken.“
„Nur einige von ihnen. Diese Geister sind sehr mächtig. Niemand, selbst nicht der Mübarek, kann sie gleich alle auf einmal zum Verschwinden
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