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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bringen, zumal es nur eine einzige Nacht im Jahre gibt, in welcher man den Geistern beikommen kann.“
    „Welche Nacht ist es?“
    „Ich weiß es nicht. In jeder solchen Nacht ist es dem Alten gelungen, einen der Geister zu bezwingen; also jährlich einen.“
    „Das sind in Summa sechs?“
    „Ja. Wenn du sie sehen willst, wird man sie dir zeigen.“
    „Ah, man sieht sie noch?“
    „Natürlich ihre Leichen.“
    „So haben diese Geister auch Leiber gehabt?“
    „Ja, sonst könnten sie doch keinem Sterblichen erscheinen! Gewöhnlich haben sie keinen Leib, aber dann, wenn sie sich sichtbar machen wollen, dann brauchen sie einen, und grad in diesem Körper kann man sie fangen, indem man alle Öffnungen verstopft, so daß sie nicht wieder heraus können.“
    „Das ist mir neu. Ich werde mir die Leichen dieser sechs Geister ganz gewiß ansehen.“
    „Ich werde dich hinführen. Auch auf den Berg und in die Ruine gehe ich mit, wenn du es verlangst, aber nur am Tag. Bei Nacht bringt mich kein Mensch hinauf.“
    „Vielleicht verlangt auch niemand eine solche Heldentat von dir. Aber ich habe dich noch etwas anderes zu fragen. Bist du schon einmal in Radowitsch gewesen?“
    „Ja, sehr oft sogar, und auch weiter.“
    „Kennst du den Ort Sbiganzi?“
    „Ich war nur einmal dort, für eine kurze, einzige Stunde. Es ist ein kleines Nest und liegt zwischen zwei Flüssen.“
    „Ich kenne diese beiden kleinen Wasser. Es sind die Bregalnitza und die Sletowska. Kennst du vielleicht einige Leute dort?“
    „Wenige.“
    „Vielleicht den Fleischer Tschurak?“
    „Den kenne ich nicht.“
    „Das ist sehr schade!“
    „Warum, Effendi?“
    „Ich wollte mich bei dir nach ihm erkundigen.“
    „So wollen wir in Ostromdscha nach ihm fragen. Ich werde wohl jemanden finden, der ihn kennt.“
    „Das überlaß lieber mir. Diese Erkundigung muß sehr vorsichtig geschehen. Niemand darf wissen, daß ich mich für ihn interessiere. Dort oben in der Gegend von Sbiganzi muß es einen Ort geben, welcher Schluchthütte genannt wird. Hast du vielleicht diesen Namen schon gehört.“
    „Es ist mir so; aber ich kann mich nicht besinnen.“
    „So mag es so sein, als ob ich dich gar nicht danach gefragt hätte.“
    „Ist denn ein Geheimnis damit verbunden?“
    „Allerdings.“
    „Sieh, also auch du hast Geheimnisse! Du bist aber zurückhaltend und sagst nichts von ihnen. Wenn ich jedoch von den meinigen erzähle, so werde ich ausgelacht, zum Beispiel vorhin, als ich von dem alten Mübarek sprach.“
    „Da handelte es sich um kein Geheimnis, sondern um ein reines Wunder.“
    „Oh, deren sind noch mehrere an ihm zu bemerken. Er ist zum Beispiel so dürr, daß man seine Knochen klappern hört, wenn er geht.“
    „Unmöglich!“
    „Ich sage die Wahrheit. Jedermann hat es gehört!“
    „Auch du?“
    „Auch ich, mit meinen eigenen Ohren.“
    „So bin ich neugierig, ob auch ich das Klappern seiner Knochen höre.“
    „Ganz gewiß, wenn du genau aufpaßt.“
    „Wie kleidet er sich denn?“
    „Er hat nur drei Kleidungsstücke, nämlich einen alten Shawl als Gürtel um den nackten Leib, einen alten weiten Kaftan, in welchem sich aber viele, viele Taschen befinden, und ein altes Tuch um den Kopf.“
    „Trägt er keine Schuhe oder Sandalen?“
    „Niemals, selbst im Winter nicht.“
    „So scheint er kein Freund von Luxus irgendwelcher Art zu sein. – – – Was ist das? Hier muß sich irgend jemand befinden.“
    Wir waren in eine von lichten Büschen bestandene Gegend gekommen. Mein Rappe hatte jenes Schnauben hören lassen, welches ein sicheres Zeichen war, daß ein fremder Mensch in der Nähe sei.
    Ich hielt an und sah mich um. Es war niemand zu erblicken. Auch die andern waren haltengeblieben.
    „Reiten wir weiter!“ meinte der Türke. „Was geht es uns an, ob jemand hier steckt?“
    „Vielleicht nichts, vielleicht doch etwas. Ich bin gewohnt, gern zu wissen, wen ich hinter mir habe.“
    „So willst du wohl gar suchen?“
    „Nein. Mein Pferd wird es mir sagen.“
    „Allah! Willst du es fragen?“
    „Auf jeden Fall.“
    „Und es antwortet?“
    „Klar und deutlich.“
    „Grad wie die Eselin von Baalim! Welch ein Wunder! Und an meine Wunder wollt ihr nicht glauben!“
    „Hier ist's kein Wunder, denn der Rappe antwortet mir nicht in meiner, sondern in seiner Sprache, wie du sogleich sehen wirst. Paß auf!“
    Das hatten wir natürlich leise gesprochen. Ich trieb mein Pferd einige Schritte vorwärts, und es gehorchte, ohne

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