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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bewaffnete Khawassen ein. Was ich erwartet hatte, erfüllte sich. Derjenige, mit welchem wir draußen im Busch gesprochen hatten, war bei ihnen. Das war nicht zu verwundern, da wir sehr langsam geritten waren.
    Sie pflanzten sich an die Tür, und unser Bekannter trat vor. Er mochte es sich als wohl verdiente Genugtuung ausgebeten haben, das Wort zu führen. Von seinem früheren Phlegma schien nichts mehr vorhanden zu sein, denn er rief, den Kolben seines Schießgewehres auf den Boden stoßend, uns zu:
    „Nun!“
    Dieses eine Wort schon sollte uns niederschmettern. Es lag eine ganze Welt voll Freude, Überlegenheit, Hohn und Befriedigung darin. Aber keiner von uns rührte sich. Wir aßen, ohne uns verabredet zu haben, ruhig weiter. Die drei Gefährten folgten eben meinem Beispiel.
    „Nun!“ wiederholte der Held.
    Als auch darauf keine Antwort erfolgte, trat er einen Schritt näher und fragte mit der Miene eines Lynchrichters:
    „Hört ihr etwa nicht?“
    Er erhielt eine Antwort, welche ebenso außer seiner, wie auch außer meiner Berechnung gelegen hatte. Der kleine Hadschi stand nämlich auf, ergriff das große Tellerbrett, auf welchem uns der köstliche, in Fett schwimmende Reispillaw vorgesetzt worden war, trat vor ihn hin, hielt ihm den noch für zehn Personen ausreichenden Pillaw entgegen und sagte auch nur dies eine Wort:
    „Nimm!“
    Beide blickten einander eine Weile in die Augen. Dabei zog der Duft des Lieblingsgerichtes in die Nase des Khawassen; sein strenges Gesicht wurde immer weniger streng. Die Lippen öffneten sich unwillkürlich, die Nasenflügel zitterten, und ein verbindliches Lächeln begann um den Mund zu spielen. Die Spitzen des Schnurrbartes zuckten – – – es war keine Frage, der Pillaw hatte gesiegt. Welcher türkische Khawaß kann einem in Fett schwimmenden Pillaw widerstehen! Der Mann ließ seine Flinte niedergleiten, ergriff das Brett, drehte sich zu seinen Gefährten um und fragte:
    „Istermitz siniz – wollt ihr?“
    „Ewwet, beli – ja, ja!“ antworteten schnell fünf Stimmen.
    „So setzt euch nieder!“
    Die anderen lehnten ihre Flinten an die Wand und hockten sich zu ihrem Kameraden nieder. Es war eine wahre Lust, zu sehen, wie sie ernst und würdevoll, mit den Mienen griechischer Weltweisen um das Brett hockten und – mit den Fingern in den Reis langend und ihn in den hohlen Händen zu einer Kugel wickelnd – diese Kugel in die weit aufgesperrten Mäuler schleuderten.
    Hadschi Halef hatte sich wieder auf seinen Platz gesetzt und verzog keine Miene.
    Da kam der Wirt wieder herein. Als er die kauernde und Reiskugeln rollende Gesellschaft erblickte, verschwand er augenblicklich wieder, denn wäre er nur noch eine Sekunde geblieben, so hätte er in ein schallendes Gelächter ausbrechen müssen.
    Als der Pillaw verschwunden war, brachte der würdige Khawaß das Brett zurück.
    „Ejwallah – wir danken!“ sagte er, legte das Brett auf den Tisch zurück, hob sein Gewehr aus der Stube auf, stellte sich wieder in Positur und sagte mit der Miene eines römischen Diktators:
    „Nun!“
    Ich hielt es jetzt für zweckmäßig zu antworten.
    „Was wollt ihr?“ fragte ich kurz.
    „Euch!“ lautete die noch kürzere Antwort.
    „Wozu?“
    „Zum Zabtieh Muschiri schaffen.“
    „Was will er?“
    „Euch bestrafen.“
    „Wofür?“
    „Für die Prügel.“
    „Welche Prügel?“
    „Die ich bekommen habe.“
    „So bist du ja schon bestraft! Wozu sind denn da wir noch nötig?“
    Hätte ich das Gesicht, welches er jetzt machte, malen können, das Bild würde das kostbarste Andenken an meinen Aufenthalt in der Türkei sein. Es war geradezu unbeschreiblich. Er war weg, vollständig weg. Doch bald kam ihm der Gedanke, daß er doch etwas sagen müsse. Er schnitt ein sehr finsteres Gesicht und rief:
    „Geht ihr freiwillig mit?“
    „Nein.“
    „Also mit Gewalt?“
    „Nein.“
    „Allah, Allah! Mit was denn?“
    „Mit gar nichts.“
    Jetzt war es mit seiner Philosophie zu Ende. Er hatte sich den scharfsinnigsten seiner Kameraden genannt; aber es ist ein Unterschied, ob man drei Schimmeln in Gedanken nachläuft oder ob man fünf Männer arretieren soll, die sich durch keine Zabtieh und überhaupt durch nichts aus der Fassung bringen lassen. Er tat das, was er für das Klügste hielt und was jedenfalls auch das Allerklügste war, er lehnte sich an die Wand und sagte zu einem seiner Kameraden:
    „Rede du!“
    Der Betreffende trat vor. Er fing seine Sache ganz anders an. Er

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