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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schien bedeutende Talente für den Anschauungsunterricht zu besitzen, denn er erhob seine Flinte, schob mir den Kolben derselben fast an die Nase, zeigte ihn dann im Kreise herum und sagte:
    „Wißt ihr, was das ist?“
    Der Rarität wegen antwortete ich selbst:
    „Ja.“
    „Nun, was denn?“
    „Ein Flintenkolben.“
    „Ja, und daran ist ein Lauf, mit welchem man schießt. Verstehst du mich?“
    „Ja.“
    „Nun wißt ihr also alles!“
    „Gar nichts wissen wir.“
    „Alles!“
    „Nein, wir wissen nur, daß man mit deiner Flinte schießen kann.“
    „Das ist doch genug. Wir sind gekommen, euch zu arretieren!“
    „Ah! Ja, das mußt du doch sagen!“
    „Das ist ganz selbstverständlich. Wenn ihr nicht sofort mitgeht, greifen wir zu unseren Gewehren.“
    „Etwa um uns zu erschießen?“
    „Ja.“
    „Nun, dazu sind wir bereit. Erschießt uns also!“
    Ich nahm eine Zigarette und brannte sie an. Die andern taten auch so, und so rauchten wir uns an; die Khawassen aber starrten uns an. So etwas war ihnen noch nicht passiert.
    Was ich für ganz unmöglich gehalten hätte, das geschah: der Befehlshaber legte sein Amt nieder. Er drehte sich um, gab einem andern einen Puff in die Seite und sagte:
    „Kommandiere du!“
    Dieser war sogleich bereit, das freiwillig abgelegte Zepter zu ergreifen. Er trat vor, augenscheinlich im Begriff, eine sehr ernste Rede zu halten. Ich begann mich bereits der Überzeugung hinzugeben, daß nach und nach einer dem andern das Kommando übergeben werde, bis alle miteinander, ihrer Mißerfolge müde, sich entfernen würden. Aber so wohl sollte es uns nicht werden, denn eben als der dritte Generalfeldmarschall den Mund öffnete, um zu beginnen, wurde die Tür aufgerissen, und das Gesicht und die Uniform eines Sergeanten kam zum Vorschein.
    „Wo steckt ihr?“
    „Hier!“
    „Das sehe ich! Wo sind die Kerls?“
    „Hier!“
    Dabei zeigte der Antwortende auf uns.
    „Warum bringt ihr sie nicht?“
    „Sie wollten nicht.“
    „Warum zwingt ihr sie nicht?“
    „Wir konnten nicht.“
    Diese Fragen und Antworten klappten so exakt und rasch aufeinander, als ob sie einstudiert gewesen wären. Es war zum Totlachen.
    „So werde ich euch zeigen, wie man solche Menschen zwingt!“
    Er trat näher und zog den Säbel. Seine Augen rollten wie Kugeln, und seine langen, gelben Zähne wurden sichtbar.
    „Habt ihr's gehört, ihr Halunken, was man von euch will?“ schrie er uns an.
    Kein Mensch antwortete.
    „Ob ihr es gehört habt?“
    Alles schwieg.
    „Seid ihr taub?“
    Es schien so, denn keiner von uns zuckte auch nur mit den Wimpern. Das brachte ihn so in Harnisch, daß er völlig aus dem Gleichgewicht kam. Er holte mit dem Säbel aus, um mir einen Hieb mit der flachen Klinge zu versetzen, und schrie:
    „Hund! Du sollst wohl reden lernen!“
    Der Säbel sauste nieder – – – aber nicht auf meinen Rücken, o nein, sondern auf den Boden; der Sergeant aber bemerkte, als er sich ansah, daß er gleichfalls auf dem Boden saß.
    Als er fluchend aufsprang und auf uns einstürmen wollte, blieb er dennoch stehen und starrte uns an, wie wenn wir Geister seien. Wir saßen nämlich noch immer da: still, starr, steif und stumm wie die Ölgötzen.
    Keiner hatte sich bewegt, nur ich; denn ich hatte ihm mit der Faust den Säbel aus der Hand geschlagen und ihm dann einen Hieb geben müssen, welcher ihn zu Boden fällte. Das war aber so blitzschnell geschehen, daß man es gar nicht rechnen konnte.
    Er ließ den Blick über uns gleiten, von einem zum andern, wendete sich dann um und fragte:
    „Waren sie denn vorhin schon so?“
    „Ja“, antwortete unser Bekannter aus dem Busch.
    „Die sind verrückt!“
    „Gewiß.“
    Es herrschte also eine geradezu beglückende Einheit der Ansichten unter diesen lieben Leuten. Sie sahen sich an und schüttelten die Köpfe, und so hätten sie – wer weiß, wie lange – die Köpfe geschüttelt, wenn ich nicht endlich aufgestanden und zu dem Sergeanten getreten wäre, um ihn zu fragen:
    „Wen sucht ihr hier?“
    Sein Gesicht erheiterte sich unverzüglich, denn er erkannte aus dieser Frage doch wenigstens, daß wir ziemlich leidlich reden konnten.
    „Euch“, lautete seine kurze Antwort.
    „Uns? Wie ist das möglich? Du sprachst doch von Hunden und von Halunken!“
    Dabei faßte ich ihn so ins Auge, daß er errötete, wirklich errötete.
    „Wer verlangt denn, uns zu sehen?“ erkundigte ich mich weiter.
    „Der Zabtieh Muschiri.“
    „Wozu?“
    „Er hat

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