1501 - Nachts, wenn die Träume kommen...
die eigentlich keine gewesen waren, aber ein Bild wollte ihr nicht aus dem Kopf.
Es war eine Szene, in der sie der Mittelpunkt gewesen war. Sie hatte ihre stets geladene Schrotflinte unter der Theke hervorgeholt und kurzerhand geschossen. Auf die Gestalt mit der Glatze, die so schrecklich war und eine Gabe besaß, die der Wirtin Angst einjagte. Sie war trotz der Verwundung noch fähig gewesen, von einer Sekunde zur anderen zu verschwinden, und in normalem Zustand war sie in der Lage, einen anderen Menschen mitzunehmen, wenn sie verschwand. Das hatte sie von Maggie Crane gehört, und Sinclair hatte ihr das bestätigt.
Rose hatte Angst davor gehabt, dass es ihr so ergehen könnte wie dem Albino Lucio, deshalb hatte sie auf die Gestalt geschossen. Sie hatte sie voll getroffen, aber sie war trotzdem verschwunden. Aufgelöst, weg ins Nichts oder an einem anderen Punkt der Welt, das wusste wohl nur dieser Saladin selbst.
Ihr Lokal hatte sie geschlossen. Rose wusste auch nicht, wann sie es wieder öffnen würde. Hinter der Theke zu stehen und die Gäste zu bedienen, das konnte sie sich momentan nicht vorstellen.
Das Haus, in dem das Lokal lag, hatte drei Stockwerke. Das erste war bewohnt, denn dort befanden sich die Wohnung der Wirtin und zwei einzelne Zimmer. Da sie nicht alle benötigte, hatte sie eines ihrem Helfer Bubi überlassen, der froh war, einen Unterschlupf gefunden zu haben.
Bubi arbeitete für sie. Er schaffte die leere Getränkekisten weg, er putzte, er bediente auch, er nahm ihr wirklich viele der Schmutzarbeiten ab, und darüber war Rose froh.
Das zweite Zimmer vermietete Rose hin und wieder an Pärchen, die gern allein sein wollten, und so war das auch bei Lucio gewesen. Was sich daraus entwickelt hatte, das hätte Rose nie für möglich gehalten.
Die beiden anderen Etagen des Hauses standen leer. Die Wohnungen dort vergammelten. Da der Zugang zum Treppenhaus verrammelt war, gab es auch keine Versuche irgendwelcher Leute, sie zu besetzen.
Es fiel ihr schwer, das Erlebte zu verkraften. Zu sehr wirkten die Ereignisse nach, und sie fragte sich, wie sie die zweite Nacht hinter sich bringen sollte. Sie war zu nervös, um schlafen zu können. Einige Schlucke aus der Wodkaflasche hatten ihr auch nicht geholfen, sie blieb weiterhin hypernervös.
Die Glotze hatte sie angestellt, aber den Ton weggedreht. Alles machte sie nervös. Sie ging in ihrem Zimmer auf und ab, schaute ab und zu aus dem Fenster in die Dunkelheit hinein, ohne allerdings etwas erkennen zu können.
Sie fühlte sich aufgedreht wie ein Kreisel, der einfach nicht zur Ruhe kommen wollte. Schlaftabletten wollte sie nicht schlucken. Sie legte sich einfach so aufs Bett, schaute gegen die Decke, und löschte schließlich das Licht der Wandleuchte, sodass nur noch der flackernde Schein vom Bildschirm her durch das Zimmer tanzte.
Der störte sie nicht weiter, obwohl das schwache Muster unter der Decke ständig wechselte. Rose wollte sich Gedanken über sich selbst machen, und das war nicht so einfach, denn in diesen Minuten hatte sie das Gefühl in einem anderen Körper zu stecken.
Es war still im Raum. Auch von der Straße hörte sie keine Geräusche, da das Fenster geschlossen war. Bubi lag in seinem Zimmer. Er wusste, dass er nicht stören durfte. Erst am nächsten Tag, wenn die verdammten Stunden der Nacht vorbei waren.
Rose richtete sich wieder auf. Ihre Zigaretten lagen direkt neben der Flasche mit dem Wodka. Ein Aschenbecher stand auch bereit. Sie klaubte ein Stäbchen aus der Packung, zündete es an und nahm danach einen Schluck. Rose wusste, dass sie zu viel trank. Auch zu viel paffte. Da brauchte sie nur in den Spiegel zu schauen und die Falten in ihrem Gesicht zu sehen. Die hatten sich wie Gräben in die Haut gefurcht.
Der erste Schluck reichte ihr nicht. Sie trank noch einen zweiten und dachte daran, dass sie an diesem Tag so gut wie nichts in ihren Magen bekommen hatte. Ein frugales Frühstück, bestehend aus pappigem Brot und etwas Creme aus dem Glas.
Aber jetzt etwas essen wollte sie auch nicht. Dafür merkte sie, dass der zweite Schluck aus der Flasche zu viel für sie gewesen war. Sie saß auf dem Bett, schaute der Asche nach, die sich vom Glimmstängel gelöst hatte und zu Boden fiel, und merkte, dass sie leicht schwankte.
Es war nicht ihre Zeit im Moment. Es hatte auch keinen Sinn, wenn sie länger wach blieb. Sie musste Schlaf finden und nicht versuchen, sich selbst zu betrügen.
Rose drückte die Kippe aus, verschloss
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