1501 - Nachts, wenn die Träume kommen...
auch. Justine will mit den Dingen nichts mehr zu tun haben.«
»Ist gar nicht ihre Art.«
Ich winkte ab. »Dafür kann ich nichts, Suko, und wer nicht will, der hat schon.«
»Dann bleibt uns nur Rose Nelson.«
»Du sagst es.«
»Willst du vorher zu ihr?«
»Nein, es hat keinen Sinn. Außerdem habe ich vor, mich mal früh hinzulegen. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag.«
»Wie du meinst.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, reckte mich und riss beim Gähnen den Mund weit auf.
»Meine Güte, John, du hast es wirklich nötig.«
»Das sagte ich doch. Mal wieder richtig schön durchschlafen.«
»Und was ist, wenn Saladin dich in der Nacht weckt?«
»Schieße ich ihm den Kopf ab.«
»Super. Am besten mit einer Schrotflinte.«
»Genau damit, Suko. Denn die lege ich zuvor unter meine Decke…«
***
Die Kleidung lag in der Ecke. Zumindest die, die Saladin am Oberkörper getragen hatte. Seine Hose hatte er anbehalten.
Mallmann hatte sich entschlossen, ihm die Kugeln aus dem Körper zu pflücken. Dazu waren sie in sein Haus gegangen, und Saladin lag wie ein Kranker auf dem langen Tisch, als würde er auf den Narkosearzt warten, der ihn für eine Operation vorbereitete.
In der rechten Hand hielt Dracula II eine Zange. Mochte der Teufel wissen, wie er in ihren Besitz gekommen war. Er hatte sich über den liegenden Hypnotiseur gebeugt und grinste ihn an. Sein Vorhaben schien ihm Spaß zu bereiten. Den Doktor hatte er wohl noch nie in seiner gesamten Existenz gespielt.
Die Kugeln steckten noch in Saladins Fleisch. Allerdings waren die Wunden gereinigt worden, und das auf eine besondere Art und Weise, denn Mallmann hatte das Blut in der Umgebung der Wunden kurzerhand weggeleckt, und das hatte er mit großem Vergnügen getan.
Jetzt waren die Schrotkugeln an der Reihe. Saladin stellte sich nicht die Frage, ob die Zange zuvor gereinigt worden war, er wollte nur seine Kugeln loswerden und hoffte dabei auf seine gute Konstitution, die ihm helfen würde, alles schadlos zu überstehen.
Mallmann grinste. Er präsentierte dabei seine Vampirzähne, an denen dünner Speichel schimmerte.
»Es wird wehtun, mein Freund.«
»Das soll dich nicht kümmern.«
»Ich wollte es dir nur gesagt haben.«
»Fang schon an!«
Mallmann nickte. Zuvor leckte er noch über seine Lippen. Kein Atemstoß drang aus seinem Mund. Er schaute genau hin und suchte mit der Zange in der ersten Wunde nach der Kugel, die nicht sehr tief steckte. Die beiden Hälften der Zange waren recht schmal, man konnte das Werkzeug schon als eine Pinzette bezeichnen.
Saladin bis die Zähne zusammen. Er bekam alles mit und spürte auch, wie die Kugel aus seinem Körper gezupft wurde. Danach atmete er scharf ein. Dabei hörte er den Kommentar des Vampirs.
»Das erste Souvenir habe ich.« Es klemmte noch in der Pinzette, die er schwenkte. »Willst du es sehen?«
»Nein, verdammt! Mach weiter!«
»Okay, kein Problem.«
Jetzt war das nächste Wundloch an der Reihe. Auch das ging Mallmann behutsam an, aber er konnte das Zittern seines Arms nicht unterdrücken und zielte leicht daneben.
Saladin schrie auf. Sein Körper zuckte. Dabei rutschte die Pinzette ab.
»Sorry, aber…«
»Pass doch auf, verdammt!«
»Ich bin kein Chirurg. Außerdem ist es hier nicht so hell wie in einem Operationssaal.«
»Ja, das weiß ich. Trotzdem…«
»Soll ich weitermachen?«
»Klar.«
Es wurde für Saladin eine Tortur. Zum ersten Mal merkte er wieder, dass er ein Mensch war, und das mit allen Vor-und Nachteilen. Seine Stirn sah so glatt aus, als hätte man sie mit Öl eingerieben, und auf der glatten Oberlippe lag ebenfalls ein Schweißfilm.
Mehr als ein Dutzend Kugeln zupfte Dracula II aus dem Körper des Hypnotiseurs, und danach war er immer noch nicht sicher, ob er auch alle erwischt hatte. Das sagte er seinem Patienten auch.
Der hörte zwar die Worte, aber er war nicht mehr voll da. Saladin hatte das Gefühl, in einer dicken Suppe zu schwimmen, die mit ihm irgendwohin schwappte. Er hatte seine Grenzen erkennen müssen, und erst als Mallmann seine Frage wiederholte, gab er eine Antwort.
»Es ist mir einfach scheißegal.«
»Gut, wie du meinst.«
Der Hypnotiseur schloss die Augen. Er befand sich weiterhin in einem Zustand zwischen Wachsein und Dahindämmern. Stets an der Grenze der Bewusstlosigkeit entlang.
In einem Zustand wie diesem wäre es ihm auch nicht möglich gewesen, sich wegzubeamen. Er musste liegen bleiben und sich langsam erholen.
Innerlich
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