1501 - Weg ohne Wiederkehr
die sie so zugerichtet haben, aber Cassanagk wird sie vergessen. Irgendwann werden wieder Pflanzen dieses Plateau bedecken. Es hört sich zynisch an, aber es ist so. Wir Menschen der Erde haben nun wirklich keinen Grund, uns über andere Völker erhaben zu fühlen. Es hätte wahrhaft nicht viel gefehlt, und Terra hätte noch viel schlimmer ausgesehen als diese Welt." Die Space-Jet setzte etwa hundert Meter vom „ewigen Tempel" entfernt auf, und jetzt sahen die beiden Männer, daß der Bau vom Zahn der Zeit doch erheblich gezeichnet war. Er war aus einem blauen, seltsam schimmernden Material errichtet worden und glich einem Seestern, der die Enden seiner Arme gen Himmel richtete. Auf seiner Oberseite befanden sich tiefe Schrunde, in denen sich allerlei Schmutz angesammelt hatte. Von einem Pflanzenbewuchs war nichts zu sehen.
Sein Fehlen wies darauf hin, daß der Tempel und seine Umgebung stark vergiftet waren.
Luft- und Bodenanalysen warnten davor, die Jet ohne Atemschutz zu verlassen. „Wir fassen besser nichts an", sagte Ras, als sie sich dem Tempel näherten. „Im Boden könnten Kontaktgifte sein."
Sie umrundeten den Tempel und erkannten aus der Nähe, daß der Verfall der Anlage nicht mehr aufzuhalten war. „Der ›ewige Tempel‹ wird nur noch kurze Zeit existieren", bemerkte der Teleporter. „Die Cassas werden wohl nicht in der Lage sein, die Schäden zu beseitigen."
Er blieb vor einer Bodensenke stehen, in der die Reste eines offenen Feuers zu erkennen waren. „Hier ist jemand gewesen", sagte er. „Das Feuer ist nicht zufällig entstanden."
„Nein. Das Holz wurde sorgfältig aufgeschichtet, bevor es angezündet wurde. Aber wir wissen ja, daß es deine Cassas noch gibt. Sie haben sich nicht völlig ausgerottet." Fellmer wies auf einen verwitterten Gurt hin, der mit zwei einfachen elektronischen Geräten bestückt war. Irgend jemand mußte ihn vor noch nicht allzu langer Zeit hier liegengelassen haben. Er war ein Beweis dafür, daß die Cassas nicht vollends in die Barbarei zurückgefallen waren. „Das heißt also, daß sie nach wie vor hierher kommen." Ras stocherte mit einem Stock an der Tempelmauer herum, bis ein kleiner Brocken herausbrach und auf den Boden fiel. Er ließ ihn liegen. Ihm kam es nicht darauf an, ein Erinnerungsstück zu haben, er wollte lediglich prüfen, wie brüchig das Material war.
Danach drehte er sich um und blickte auf das öde Land hinaus. Es hatte nichts Einladendes für ihn, und doch drängte er den Gedanken an einen baldigen Aufbruch zurück.
Fellmer Lloyd lächelte verständnisvoll. „Du möchtest noch einmal mit ihnen reden", erkannte er. „Und zwar hier beim Tempel. Du möchtest wissen, warum sie ihre schöne Welt zugrunde gerichtet haben. Du meinst, auf diesem Planeten müsse Entsetzliches geschehen sein, weil es diesen Krieg gegeben hat."
„Ja, genau das."
Der Telepath schüttelte den Kopf. „Wie alt bist du, Ras?" Der dunkelhäutige Terraner blickte ihn verwundert an. Er konnte sich nicht erklären, warum Fellmer so fragte, aber er antwortete. „Moment, da muß ich erst einmal rechnen, um dir das sagen zu können. Also - geboren bin ich 1947 nach Christi Geburt im schönen Afrika. Danach ..."
„Lassen wir das. Es ist nicht wichtig. Ich will auf etwas anderes hinaus."
„Ich weiß. Du wolltest sagen, ein Mann in meinem hohen Alter müßte eigentlich wissen, daß Kriege oft aus den nichtigsten Gründen ausbrechen. Im nachhinein lassen sich die tatsächlichen Ursachen für Kriege oft gar nicht mehr finden. Oft genug stellen Historiker Theorien auf und konstruieren Konflikte, die alles mögliche begründen, nur den wahren Motiven nicht nahekommen."
Fellmer Lloyd blickte aufsein Chronometer. Es zeigte den 29. September 1169 an. „Nur noch eine Stunde, dann haben wir den dreißigsten September", sagte er. „Mir ist gar nicht nach Mitternacht zumute."
Ras Tschubai musterte ihn erstaunt. „Wie kommst du jetzt darauf?" fragte er. „Worauf?" Der Teleporter machte einen verwirrten Eindruck. Er wußte nicht, was Ras meinte. „Wir reden von Konflikten, und du wunderst dich, daß es in einem bestimmten Datumsbereich der Erde dreiundzwanzig Uhr ist!"
Fellmer Lloyd fuhr sich mit beiden Händen zum Gesicht und prüfte den Sitz der Atemmaske.
Dann rieb er sich die Augen und schüttelte den Kopf, als wolle er etwas von sich abstreifen. „Habe ich das?"
„Du hast gesagt, dir sei gar nicht nach Mitternacht zumute. Ist etwas nicht in Ordnung?"
„Entschuldige.
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