1503 - Die Nacht der Bestien
das Wochenende verbringen muss.«
»Ja, das ist leider so. Tut mir leid, aber mir brannte dieser Leichenfund auf der Seele.«
»Kann ich verstehen. Ich schaue mich mal in der Umgebung um. Da kann der morgige Abend wohl nicht langweilig werden.«
»Das denke ich auch, John.«
Hätte ein anderer Kollege diesen Wunsch an mich herangetragen, ich hätte wohl erst mal abgelehnt und mir die ganze Sache durch den Kopf gehen lassen.
Bei Tanner war das etwas anderes. Wir kannten uns schon seit Urzeiten, und er hatte wirklich so etwas wie eine Nase für außergewöhnliche Fälle entwickelt. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er mir einen Tipp gegeben hätte.
»Und?«, fragte er. »Was hast du heute noch vor? Der Freitag ist ja schon Wochenende.«
»Ich bin eingeladen worden.«
»He, wie heißt die Lady?«
»Sheila Conolly.«
»Ach so.«
»Wir wollen mal wieder einen gemütlichen Abend verbringen, und sollte er zu gemütlich werden, übernachte ich bei ihr und Bill. Das ist alles. Keine Disco oder so.«
»Ich kann mir auch schlecht vorstellen, dich in einer Disco hüpfen zu sehen.«
»Da hast du recht. Darauf kann ich gut verzichten.«
»Aber nicht auf die Suche nach dem Werwolf.«
»Keine Sorge, Tanner, ich gebe dir Bescheid, wenn es so weit ist. Positiv und auch negativ.«
»Tu das.«
Er brachte mich noch zur Tür, wo wir uns zum Abschied abklatschten.
Den Conollys sollte ich noch einen Gruß bestellen, dann war ich entlassen.
Die Gesichter der Kollegen zeigten wieder das Grinsen. »Na, wie geht es Tanner jetzt?«
»Er ist voll zufrieden und will euch als Möbelpacker einsetzen, wenn es so weit ist.« Nach dieser Antwort entfernte ich mich schnell, denn ich hätte nicht mehr länger ernst bleiben können.
Dafür freute ich mich auf den Besuch bei den Conollys. Der Hunger machte sich bereits bei mir bemerkbar und der Durst ebenfalls. Schon jetzt stand für mich fest, dass ich wohl bei ihnen übernachten würde. Um den angeblichen Werwolf zu stellen, war am nächsten und übernächsten Tag noch Zeit genug.
Die Aufnahmen wollten mir nicht aus dem Kopf. Die Bisse hatten wirklich nicht normal ausgesehen, und das machte mich schon auf eine gewisse Art und Weise nachdenklich…
***
»Ha, du bist sogar pünktlich.«
Bill Conolly stand vor der Haustür und begrüßte mich, als ich den Wagen vor der Garage abgestellt hatte und ausgestiegen war.
»Warum sollte ich nicht pünktlich sein?«
»Wohl wenig zu tun, wie?«, hetzte er.
»Jedem das, was er verdient.«
»Super, Alter. Dann haben wir uns einen schönen Abend verdient.«
»Klar doch.«
Wir umarmten uns kurz, und ich betrat das Haus, das von einem Duft durchweht wurde, der mir bereits jetzt das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
»Das riecht ja super.«
»Ha, warte mal ab, wie es schmeckt. Sheila hat sich wieder in die große Küchenzauberin verwandelt.«
»Und was gibt es Gutes?«
»Lass dich überraschen. Wir nehmen erst mal einen Drink. Sheila hat noch zu tun.«
»Nein, das hat sie nicht«, hörte ich ihre Stimme. »Zumindest nicht im Augenblick.« Sie lief auf mich zu, um mich zu umarmen. Die hellblaue Bluse hatte sie mit einer Schürze geschützt, auf deren weißrotem Stoff ein gelber Kochlöffel auffiel.
Wir umarmten uns, und ich sah in Sheilas Augen die Freude über mein Erscheinen.
»Es dauert noch ein paar Minuten. Wir essen dann in der Küche. Da ist es gemütlicher.«
»Nichts dagegen.«
»Dann lass uns mal in mein Refugium gehen«, schlug Bill vor. »Dort ist es noch gemütlicher.«
»Wenn du das sagst.«
»Und ob ich das sage.«
Ich kannte mich im Haus der Conollys aus wie in meiner Wohnung und wusste deshalb auch, wie Bills Schreibtisch eigentlich immer aussah, und deshalb wunderte ich mich, als ich die Zeichnungen auf der großen Platte liegen sah.
Es waren technische Zeichnungen, über die ich mich lautstark wunderte.
»He, willst du dir ein neues Haus kaufen?«
»Nein, das nicht.«
»Sondern?«
»Moment noch.«
Ich hörte es in meinem Rücken gluckern. Bill war dabei, einen kostbaren Tropfen einzuschenken, diesmal einen Cognac, dessen Aroma mir schon jetzt in die Nase stieg.
»Na, ist das was?«
Ich nahm das Glas entgegen, wir stießen an, und so erlebte ich den Genuss des Getränks, das mir wie Öl die Kehle hinab und in Richtung Magen rann.
»Was sagst du?«
»Toller Genuss.«
Bill nickte. »Ja, die Flasche habe ich im Internet ersteigert. Hin und wieder muss man sich was gönnen.«.
»Du sagst es.«
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