1503 - Die Nacht der Bestien
freiwillig. Er hat mich gebeten, zu ihm zu kommen.«
»Also dienstlich.«
Ich schaute in mein Weinglas und nickte.
»Wo lag sein Problem?«
»Es ging um den Mord an einer Joggerin.« Mit diesem Satz begann ich meinen Bericht. Bill hörte mir gespannt zu. Auch war ich froh, dass Sheila uns allein gelassen hatte. So konnte ich die ganze Wahrheit loswerden, der Bill sehr aufmerksam zuhörte und allmählich große Augen bekam. Sogar eine Gänsehaut sah ich auf seinem Gesicht.
»Verdammt, John, das ist ein starkes Stück.«
»Du sagst es.«
»Und Tanner geht davon aus, dass es sich um einen Werwolf handelt?«
»Ja, denn normale Wölfe haben nicht solche Gebisse.«
»Was sagst du denn dazu?«
»Ich habe damit meine Probleme. Ein Werwolf beißt sein Opfer nicht tot. Das ist eigentlich nicht seine Art. Diese Monster überfallen in der Regel Menschen, pflanzen durch ihren Biss den Keim in ihnen ein und warten, was sich daraus entwickelt. Bei einigen Menschen genügt ein Biss, bei anderen zwei oder drei.«
»Und bei dieser Joggerin?«
»Da muss er sich vertan haben. Wahrscheinlich war seine Gier so groß, dass er sie nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Sie ist dann eben umgekommen. Immer vorausgesetzt, dass es sich bei dem Mörder um einen Werwolf handelt.«
»Aha«, sagte Bill gedehnt, »jetzt weiß ich auch, warum du so nachdenklich gewesen bist. Mir wären diese Bilder auch nicht mehr aus dem Kopf gegangen.«
»Das stimmt nur zum Teil«, sagte ich.
»Was kommt da noch nach?«
»Eine Hypothese, eine Theorie. Ich habe natürlich alle Informationen von Tanner bekommen und weiß deshalb auch, wo der Mord passiert ist. Darüber denke ich nach.«
»Sag schon, John.«
»Die Tat ist dort geschehen, wo es recht einsam ist. Wo man an der Themse entlang spazieren gehen oder laufen kann. Ich behaupte mal, dass Kingston nicht mehr richtig zu London gehört.«
Bill hatte aufgepasst. »Kingston upon Thames?«
»Ja.«
»Moment mal.« Er schnippte mit den Fingern. »Den Namen habe ich heute schon gehört. Johnny hat davon gesprochen. Er und seine Freunde sind wegen dieses Moon Walking dorthin gefahren.«
»Du sagst es, Bill.«
In den folgenden Sekunden drang kein einziges Wort mehr über die Lippen des Reporters. Dafür holte er tief Luft, drehte sich von mir weg und schaute ins Leere.
Ich ließ ihn in Ruhe. Er sollte erst mal für sich den richtigen Weg finden.
Sheila hielt sich noch in der Küche auf, so konnten wir zunächst mal unter uns sprechen.
»Das ist ein Hammer«, sagte Bill schließlich. »Zufall, Fügung oder Schicksal?«
»Vielleicht kommt da alles zusammen.«
»Und Johnny ist ahnungslos!«
»Moment mal, Bill. Ich habe dir das erzählt, weil ich mir Gedanken mache. Das Gebiet ist ziemlich weitläufig. Es ist nicht gesagt, dass Johnny und seine Freunde den gleichen Weg nehmen wie diese Joggerin. Sie wurde im Wald getötet, und wer die Kraft des vollen Mondes in sich aufnehmen will, der muss meiner Ansicht nach auf einer freien Fläche wandern, um…«
»In den Themseauen.«
»Ja.«
»Der Werwolf wird flexibel sein, John. Er wird sich nicht im Wald verborgen halten. Wenn der merkt, dass Menschen in der Nähe sind, wird er alles daransetzen, um sie sich zu holen. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
»Falls es ihn gibt«, schränkte ich ein.
Bill drehte sich zu mir um, damit wir uns in die Augen schauen konnten.
»Nun mal ehrlich, John, was denkst du?«
»Ich weiß es nicht genau. Bei dieser Geschichte muss ich mich auf die Aussagen von Tanner verlassen.«
»Der den Werwolf auch nicht gesehen hat.«
»So ist es.«
Bill überlegte nicht lange. Vor meinen Augen kippte er den Rest des Weins aus. »Ich denke, wir sollten nüchtern bleiben, John. Es könnte ja sein, dass wir noch gebraucht werden.«
»Wofür gebraucht?«
Sheilas Stimme hatte uns einen leichten Schrecken eingejagt, was sie sehr wohl merkte. »Wobei habe ich euch denn gestört? Beim Austauschen von Heimlichkeiten? Ich dachte immer, dass nur Frauen ihre Geheimnisse haben.«
»Nein, nein, das waren keine Heimlichkeiten.«
»Aha. Und deshalb hast du den Wein weggekippt?«
Bill grinste etwas schief. »Nein, deshalb nicht. Ich hatte plötzlich einen trockenen Mund. Das tritt bei mir öfter ein, wenn ich Rotwein trinke. Da brauche ich eben einen Schluck Mineralwasser.«
»Und das willst du jetzt trinken.«
»Ja, mein Schatz, ich hole ein paar Flaschen aus dem Keller.«
Sehr schnell war Bill verschwunden, und ich
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