1503 - Die Nacht der Bestien
vor sich hin. »Kann sein, dass ich allein auf weiter Flur damit stehe, aber ich werde den Verdacht einfach nicht los. Er ist bereits für mich zu einer Gewissheit geworden. Um diese noch zu verstärken, habe ich mit Pathologen gesprochen, die meiner Meinung nicht widersprechen wollten. Aber wie so oft im Leben darf es manche Dinge nicht geben, die einfach nicht sein dürfen.«
»So viel zur Einführung. Und weiter?«
Er hob die Schultern. »Schau dir die Fotos selbst an und sag mir deine Meinung.«
»Kein Problem.«
Tanner behielt die Aufnahmen noch in der Hand. »Ich will dir nur vorab sagen, dass es sich um eine fünfunddreißig jährige Joggerin handelt, die hier umgebracht worden ist. Und zwar wurde sie auf einem Waldweg überfallen und dann - na ja, schau selbst.«
Ich nahm die Aufnahmen entgegen und musste schon beim ersten Blick darauf schlucken. Die Tote sah schlimm aus.
Ich gab keinen Kommentar ab und sah mir auch die weiteren Bilder an.
Sie zeigten einen Körper, der von unzähligen Bissen entstellt worden war.
»Das ist hart«, sagte ich.
»Ganz meine Meinung.«
»Und wann ist das passiert?«
»Vor zwei Tagen.«
Ich hob die Schultern an. »Und was ist so die landläufige Meinung über den Tathergang?«
»Es steht einwandfrei fest, John, dass diese Frau, deren Name Sofia Wells ist, von einem Tier umgebracht wurde. Die Bisswunden deuten darauf hin. Um Genaueres zu erfahren, war ich einige Male bei den Pathologen. Ich wollte mir von ihnen meinen Verdacht bestätigen lassen.«
»Welchen?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
Ich verengte leicht meine Augen. »Ich kann mir vorstellen, dass dir ein Werwolf in den Sinn gekommen ist.«
»Danke, Mr Sinclair. Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
»Also war es deiner Meinung nach ein Riesenwolf.«
»Werwolf, mein Lieber.«
»Tatsächlich?«
»Warum nicht?«
Ich warf einen Blick auf die Fotos. »Diese Sofia Wells ist tot, nicht wahr?«
»Klar.«
»Hm.« Ich wiegte den Kopf. »Es fällt mir schwer, ihren Tod mit einem Werwolf in Verbindung zu bringen. Da habe ich meine Probleme.«
»Warum das? Hast du den übernatürlichen Dingen abgeschworen?«
»Nein, das nicht. Werwölfe fallen zwar Menschen an, das stimmt schon, nur wollen sie diese nicht sofort töten. Sie beißen sie und haben somit den Keim zur Verwandlung gelegt. Das ist so ähnlich wie bei Vampiren.«
»Gut. Aber ich bleibe dabei, dass es ein Werwolf gewesen sein muss«, erklärte Tanner. »Diese tödlichen Bissspuren können nicht von einem normalen Wolf stammen. Abgesehen davon, dass es bei uns keine Wölfe mehr in freier Wildbahn gibt. Und aus einem Zoo ist auch kein Tier ausgebrochen. Was bleibt demnach übrig?«
»Der Werwolf, klar.«
»Außerdem hatten und haben wir noch Vollmond.«
Ich hatte Tanner schon verstanden, hakte aber trotzdem nach. »Das hat auch deinen Verdacht erhärtet?«
»So ist es.«
Ich lehnte mich zurück, trank noch einen Schluck Kaffee, der allmählich zu kalt war, und fragte: »Welche Aufgabe hast du mir zugedacht, Tanner?«
»Welche wohl? Stell das Monster und vernichte es. Das liegt doch auf der Hand.«
»Wenn das so einfach wäre.«
»Wir dürfen es nicht zu weiteren Opfern kommen lassen.«
Die Sorge in seiner Stimme war mir nicht verborgen geblieben. Ich wollte den alten Eisenbeißer auch nicht enttäuschen und erkundigte mich, wo man die Tote gefunden hatte.
»Im Londoner Süden. An der Peripherie, nicht weit von der Themse entfernt. Ich habe dir den genauen Fundort aufgeschrieben, und da wir morgen Samstag haben, wollte ich dich bitten, dass du dich dort mal ein wenig umschaust und dich auf die Suche nach dem Werwolf begibst. Kann ja sein, dass du Spuren findest. Aber nicht am helllichten Tag. Warte ab, bis die Dämmerung einsetzt, aber das muss ich dir nicht sagen. Ich erwähne es nur, weil diese Sofia Wells um diese Zeit getötet wurde.«
»Hatte sie keinen Ehemann oder sonstige Familie?«
»In diesem Fall nicht, zum Glück. Sie ist Single gewesen und wohnte auch in der Nähe. Leben in der Natur und die Stadt vor Augen haben, so heißt es neuerdings. Die Informationen habe ich dir schon bereitgelegt.«
Er griff nach einem Umschlag und schob ihn mir rüber. »Du kannst dir vorstellen, dass die Kollegen alles getan haben, um den Killer zu finden. DNA-Analysen stehen noch aus, und ich habe nur durch Zufall von dieser Tat erfahren, wurde aber misstrauisch.«
Ich nickte ihm zu und sagte: »Dann weiß ich ja, wie ich
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