1507 - Insel der Monster
rechtfertigte Kassian seine Maßnahme. „Wie willst du dem Galaktikum sonst beweisen, was hier gespielt wird? Das bricht den Friedensstiftern das Genick."
Atlan lüftete den leichten Gerätehelm mit dem Zeigefinger an und fächelte sich frische Luft gegen die Stirn.
Sie befanden sich in einem großen Maschinensaal im ersten Obergeschoß der Zentralgebäude.
Von hier aus wurde die Stromversorgung gesteuert.
Großzügig angeordnete Fenster erlaubten den Blick auf die parkähnliche Landschaft. Atlan hatte sich längst entschlossen, nicht mehr von einem „Zwangslager" zu sprechen.
Das hier war etwas ganz anderes. In den benachbarten Gebäudekomplexen hatten er und Kassian noch in der Nacht und den frühen Morgenstunden biomedizinische Einrichtungen aller Art entdeckt.
Tote und lebende Exemplare aus der Gattung der verformten Kreaturen wurden dort untersucht.
Experimente wurden von linguidischen Wissenschaftlern vorgenommen.
Sicher war, daß die Linguiden forschten. Wonach, blieb unklar. Dagegen hatte sich zweifelsfrei herausgestellt, daß man auf der Monsterinsel nur nebenbei auf gentechnischer Basis experimentierte!
Nebenbei - das war im Zeitalter erlaubter Humankorrekturen eine Selbstverständlichkeit.
Mißbildungen und Krankheiten sollten vermieden werden.
Auf dem Planeten Teffon wurden keine Klone gezogen! Man war bestenfalls bestrebt, vorhandene Schäden mit Hilfe der Gentechniken zu beseitigen.
Das hatte Atlans Theorie, die Friedensstifter seien perfekte Retortenwesen mit Superfähigkeiten, gründlichst widerlegt.
Er war automatisch in einen Gefühlszwiespalt geraten, der jetzt, beim Anblick der vielen erschossenen Kreaturen, wieder aufwallte.
Atlan richtete sich hinter der sichtdeckenden Säule auf und spähte noch aufmerksamer als zuvor nach draußen. „Was ist das?" staunte Kassian. Er kam anscheinend aus dem Wundern überhaupt nicht mehr heraus.
Knapp hundert Meter entfernt öffneten sich große Tore in einem architektonisch ansprechend geformten Bauwerk.
Zehn, zwanzig, schließlich hundert mißgestaltete Lebewesen von teils obskurer Körperform schlurften hinaus ins helle Licht der Sonne Sedeider.
Sie wirkten stumpfsinnig und apathisch, warfen keinen Blick auf die Wachtruppen und die Toten.
Sie marschierten einfach vorbei und kümmerten sich um nichts.
Neben ihnen schritten einige unbewaffnete Linguiden. Kassians Mikrosonde übertrug deren wohlklingende Rufe. Sie wurden niemals laut, niemals hart im Tonfall, Einige sangen sogar.
Wie üblich bei den Vertretern dieses Volkes trugen sie je nach Geschmack farbenprächtige Gewänder. Alle glänzten sie durch völlig verschiedenartige Frisuren und Rasuren, die ihre dichte Körperbehaarung zu individuellen Ausdrucksmerkmalen erhob.
Sogar auf der Handrückenbehaarung entdeckte die Sonde kunstvolle Frisuren. Es war erstaunlich!
Atlans Vergrößerungsschaltung holte einige Gesichter formatfüllend auf den Beobachtungsbildschirm.
Linguiden, das wußte man, besaßen eine mittlere Lebenserwartung von nur fünfzig Standardjahren. Dennoch war ihr Lebensalter nur schwer zu schätzen. Alle Gesichter, soweit sie unter der dichten Behaarung überhaupt erkennbar waren, wirkten greisenhaft, knochig und überwiegend asketisch. Tief in den Höhlen liegende Augen und wie zahnlos wirkende Münder erhärteten den Eindruck einer totalen Überalterung.
Aber auch das täuschte! Die zahllosen Falten und Fältchen an ihren Mündern und Augen, förmlich ein Geäst, schienen nur vom Frohsinn geprägt worden zu sein.
Die wenigen Aufpasser rechts und links der stumpfsinnig trottenden Horde lächelten und lachten ständig. Ihre großen, runden, lappenhaft wirkenden Ohren wippten dabei in einem seltsamen Rhythmus. „Kaum eine Zellstrahlungs-Psi-Konstante vorhanden", meldete Kassian. Seine helle Haut war durch die Erregung noch weißer geworden. „Nur einige Geschöpfe strahlen typische Individualimpulse aus. Woher kommt das?"
Atlan zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht war verkniffen. Die uralte Schwertnarbe auf seiner Wange trat Weißlich hervor. „Sie singen und rufen freundlich, hörst du es? Und direkt nebenan stehen Omni-Klone mit entsicherten Strahlwaffen und Kommunikationshelmen auf den Tellerköpfen. Die apathischen Lebewesen stehen mit Sicherheit unter starken Beruhigungsmitteln. Wer sind sie? Warum kümmert man sich um sie?
Und warum tötet man sie, wenn sie durch einen technischen Versager aus dem Areal entkommen?"
„Wir haben sie auch erschossen",
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