1509 - Standbild des Grauens
das Blut geteilt. Du kannst jetzt behaupten, dass wir Blutsschwestern sind. Aber ich möchte nicht, dass du einen Vorsprung hast, deshalb wirst du mir sagen, was das hier alles zu beheuten hat.«
Myrna nickte. Sie strich einige Haarsträhnen aus ihrem Gesicht und ließ die Hände danach über ihren Oberkörper gleiten, wobei sie ihre spitzen Brüste streichelte.
»Ich gehöre zu ihm«, sagte sie. »Ich gehöre mit Haut und Haaren nur zu ihm.«
»Zu diesem Gorilla?«
Myrna zuckte zusammen. Dieser Ausdruck schien ihr nicht zu gefallen.
»Er ist kein Gorilla, er ist der Blutdrache. Ja, der uralte Drache, der versteinerte, aber dennoch lebende.«
»Er lebt?«
»Ja.«
»Wie ist das möglich?«
»Durch Blut.«
Justine überlegte. Sie fand keine Erklärung und nickte der Schwarzhaarigen zu. »Erzähl weiter, Myrna, ich höre dir sehr gern zu. Hat man ihn aus Fels geformt? Und wer ist das gewesen?«
»Ein anderes Volk, das hier vor langer Zeit existiert hat. Es waren die Kelten mit ihren mächtigen Priestern, den Druiden. Ja, sie haben ihn gekannt, aber er stammte nicht von hier. Er wurde ausgestoßen, weil er die Macht an sich reißen wollte.«
»Wo war das?«
»Er wollte herrschen. Er wollte der Herr über ein Land sein, das sehr geheimnisvoll ist und auf den Namen Aibon hört. Für die Druiden ist es ein Paradies, in dem sie sich wohl fühlen. Aber es hat auch eine grausame Seite, und dort wollte der Blutdrache die Herrschaft übernehmen. Doch er hat sich überschätzt, denn es gab einen anderen, der dort bereits herrschte. Ein Mächtiger mit dem Namen Guywano, und als der Blutdrache gegen ihn kämpfte, verlor er. Aber er wurde nicht getötet, sondern nur verbannt. Magier verfluchten ihn und ließen ihn zu Stein werden, und so fanden ihn die Kelten und die Druiden an dieser Stelle. Sie sahen in ihm einen gefährlichen Götzen, und nur wenige Priester wagten es, sich ihm zu nähern. Der Fluch muss immer wieder erneuert werden, aber die Zeit senkte ihren Mantel darüber. Es gab bald keine Kelten mehr, und auch die Macht der Druiden wurde zurückgedrängt. Es kam zu einigen Veränderungen der Landschaft, und so wurde der mächtige Blutdrache begraben. Aber er war nicht für alle Zeiten verschwunden. Männer brachen den Steinbruch auf, und sie erreichten diesen Ort hier. Sie sahen ihn und konnten nicht glauben, dass noch die alte Kraft in ihm steckte. Er war verflucht, doch dieser Fluch kann gelöscht werden, und zwar durch Blut.«
»Aha. Und dieses Blut habt ihr gespendet?«
»Fast.«
»Sag das genauer!«, forderte Justine.
»Du und ich, wir sind in etwa gleich. Wir sind Vampire, Geschöpfe, die vom Blut der Menschen leben. Und wer sich mit dem Drachen beschäftigt hat, der kommt zu dem Ergebnis, dass er einer der ersten Vampire überhaupt war. Auch er hat sich von Menschenblut ernährt. Er hat es genossen, er hat es geschlürft. Die Menschen waren für ihn die Quelle, aber man hat ihn aus dem Verkehr gezogen. Natürlich wussten die alten Zauberer damals sehr genau, dass er nicht völlig ausgeschaltet war. Er schlief nur, er war nicht vernichtet, und sein Schlaf war nicht für die Ewigkeit bestimmt. Er brauchte Menschen, er brauchte deren Blut, und nur wenn er es trank, ging es ihm besser. Dann würde sein Fluch aufgehoben werden. Das heißt, er geht auf diejenigen über, deren Blut er trinken konnte.«
Justine musste nicht lange überlegen.
»Aha«, Sagte sie. »Die Menschen, deren Blut er trank, fingen an zu versteinern.«
»Ja, der Fluch ging auf sie über.«
Justine warf einen Blick hoch zum Blutdrachen, der sich nicht bewegte.
Ab sie fragte: »Wie lange wird es noch dauern, bis er aus seinem Zustand erwacht?«
»Er ist bereits dabei.«
Justine schwieg. Das hatte sich nicht gut angehört, und sie wusste jetzt, dass die Verschwundenen so etwas wie Blutspender gewesen waren.
Blut, das die Versteinerung des Götzen rückgängig machte.
Einer hatte die Flucht geschafft. Das war der Vampir in London gewesen, doch andere trieben sich bestimmt noch hier herum, und dementsprechend stellte Justine die Frage: »Wie viele von unserer Art sind noch hier?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber sie werden zu Vampiren, wenn sie das Blut an den Drachen abgegeben haben.«
»Schau mich an.« Myrna öffnete ihren Mund so weit wie möglich und präsentierte ihr Gebiss.
»Schon gut, ich weiß Bescheid.« Erneut schaute sich Justine die mächtige Gestalt an. »Ich frage mich nur, wie er es schafft, das Blut zu trinken,
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