1510 - Ein blinder Passagier
umsehen", sagte Ellert, ehe Testare die Schleusenluke schließen konnte. „Es läßt mir einfach keine Ruhe."
„Ich komme später nach."
„Gut, Testare. Und du, Alaska?"
„Ich werde mich mit den Karten beschäftigen."
Ellert ließ die Leiter ausfahren und stieg zur Oberfläche hinab. Die Vegetation war in dem steinigen Gelände vor dem Plateau spärlich. Es gab vereinzelt wachsende dürre Büsche, dazwischen gelbliches Gras und sogar einige Blumen.
Ellert hätte nicht zu sagen vermocht, wonach er eigentlich Ausschau hielt und was er zu finden hoffte.
Vielleicht wollte er auch nur mit sich und seinen Erinnerungen allein sein.
Hier auf Kembayan hatten er und Testare ihre Körper erhalten, sterbliche Barkonidenkörper, und eine Stimme - sie konnte nur ES gehört haben - war plötzlich in der Station gewesen und hatte ihnen angekündigt, daß sie nach Erfüllung ihrer Aufgabe ihre alten Fähigkeiten zurückerhielten. Eine Aufgabe, die nur sterbliche Intelligenzen meistern konnten.
Hatten er und Testare sie gelöst, als sie auf Amringhar die falschen Zeittafeln fanden?
Ellert wußte es nicht, aber das Verschwinden der Station hier ließ darauf schließen, daß es ihnen nicht gelungen war. Er würde also zusammen mit Testare altern und schließlich sterben, vielleicht sogar noch vor Alaska.
Es waren bedrückende Gedanken, die Ellert durch den Kopf gingen, als er durch das Gelände streifte. Als er dann hinter sich seinen Namen rufen hörte, schrak er zusammen.
Es war Testare, der ihn einholte. „Schon was gefunden?"
„Ich fürchte, hier gibt es nichts zu finden, aber die Luft ist warm, und die Bewegung tut gut.
Eigentlich möchte ich noch mal hoch auf das Plateau. Ich werde das Gefühl nicht los, daß wir etwas übersehen haben."
„Das haben wir sicher nicht. Wir sind systematisch und gründlich vorgegangen, und der Massetaster lügt nicht."
„Ich begreife Barkon nicht. Er mußte wissen, daß wir früher oder später hierher zurückkommen würden. Wo ist der versprochene Hinweis? Warum hat er nichts hinterlassen? Himmel, Testare, tausend Fragen und nicht eine einzige Antwort."
Eine Weile schwiegen sie, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, dann blieb Testare plötzlich stehen. „Ist dir eigentlich schon aufgefallen, daß es zwar eine Vegetation gibt, aber kein einziges Lebewesen - außer uns? Nicht einmal Insekten. Die waren sonst immer vorhanden, erinnerst du dich? Sind sie mit den Barkoniden verschwunden?"
Ellert hatte einen knorrigen Ast aufgehoben und stocherte damit geistesabwesend in einem Erdloch herum. Er sah auf. „Du hast recht, Testare. Nun weiß ich auch, was mich die ganze Zeit gestört hat. Es gibt praktisch kein Leben mehr auf Kembayan."
„Gehen wir zurück, Ernst. Mir wird es allmählich unheimlich hier. Inzwischen wird Alaska auch eine Welt gefunden haben, die für unsere Zwecke geeignet ist."
Sie ließen sich Zeit. Der Anblick des großen Kugelraumers verscheuchte schnell das unheimliche Gefühl, das sich ihrer für Sekunden bemächtigt hatte. Ellert bemerkte in der Hangarschleuse des Schiffes eine Gestalt, die ihnen zuwinkte. Das mußte Alaska sein. Er winkte zurück und beschleunigte seine Schritte.
Als er und Testare noch etwa zweihundert Meter von der QUEBRADA entfernt waren, übersah er den flachen Stein, der vor ihm im Gras lag, und stolperte. Fast wäre er gestürzt, wenn Testare nicht geistesgegenwärtig vorgesprungen wäre und ihn gehalten hätte. „Das kommt davon, wenn man beim Gehen einschläft", tadelte er und ließ Ellerts Arm los. „Sonderbarer Stein übrigens." Er bückte sich und hob ihn auf. „Sieht fast wie eine Tafel aus."
Ellert, dem die Rückseite des flachen Steins zugewendet war, stutzte plötzlich. Die Rückseite war keineswegs glatt und eben, sondern mit feinen Rillen bedeckt, die selbst auf den ersten Blick an eine Schrift erinnerten. „Dreh ihn um, Testare!"
Sie starrten beide fassungslos auf die in den Stein geritzten Worte in Interkosmo. Die Schrift wirkte ziemlich frisch und war nicht im mindesten verwittert. Lange konnte die etwa ein Viertel Quadratmeter große Platte noch nicht hier liegen, und es war unverständlich, daß sie einem der beiden Spaziergänger nicht schon früher aufgefallen war.
Der Verfasser der drei Sätze mußte Mühe gehabt haben, seine Botschaft auf diese primitive Art zu verewigen.
Oder es hatte für ihn keine andere Möglichkeit gegeben.
Halblaut las Testare vor: „Es ist sinnlos, sucht nicht
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