1526 - Mirandas Schutzengel
Miranda.
Und es gab die Wunden in ihrem Körper, die sehr tief waren und aus denen das Blut rann.
Ich wollte zu ihr, um zu sehen, ob noch etwas zu retten war. Doch bevor ich sie erreichte, kippte sie zur Seite und blieb auf dem Sterbebett ihrer Mutter liegen.
Ich beugte mich über sie.
Ein Blick in das Gesicht reichte mir aus, um zu wissen, dass vor mir eine Sterbende lag. Noch waren ihre Augen geöffnet, und ich hatte den Eindruck, als würde sie mich anschauen.
Nein, so war es nicht. Sie schien jemand anderen zu sehen, und das wollte sie mitteilen, denn plötzlich bewegten sich ihre Lippen. Und tatsächlich flüsterte sie einige Worte, die allerdings nicht mir galten, sondern einer Person, die schon nicht mehr lebte.
»Mama - ich komme. Ich spüre es. Ich bin bald bei dir, Mama. Dann sind wir wieder zusammen. Ich freue mich…«
Es waren ihre letzten Worte. Ihr Blick brach. Ich konnte ihr nur noch einen letzten Gefallen tun und ihr die Augen schließen…
***
Vier schwere Wunden hatten zum Tod der jungen Frau geführt. Als ich mich aufrichtete, fühlte ich mich mies und schlecht. Ich machte mir Vorwürfe, zu lange gewartet zu haben. Hätte ich das Kreuz früher eingesetzt, wäre vielleicht alles anders gekommen, Suko sah mir an, was ich dachte. Er wollte mich trösten, doch ich winkte ab.
»Nein, bitte, sag nichts.«
»Wir hätten nichts ändern können, John.«
»Kann sein. Trotzdem fühle ich mich schlecht.«
»Das ist dein gutes Recht. Aber du solltest dir mal die Figuren hier anschauen.«
»Und? Davon habe ich die Nase voll.« Ich war wirklich nicht in der entsprechenden Stimmung.
»Bitte…«
Ich tat ihm den Gefallen und erlebte nun die gleiche Überraschung wie er kurz zuvor.
Die Figuren waren noch vorhanden, nur hatten sie jetzt andere Gesichter. Das heißt, es gab sie nicht mehr. Die Macht des Kreuzes hatte auch sie erwischt, denn wo einmal die Fratzen gewesen waren, gab es nur noch schwarze Flächen.
»Damit wäre auch das letzte Erbe der toten Elisa Zanussi ausgelöscht«, sagte Suko.
»Ja, so muss man es wohl sehen. Wobei sich noch die Frage stellt, ob die alte Frau nicht Verbündete gehabt hat.«
Suko hob die Schultern. »Kann sein, John, aber wo sollen wir anfangen nach ihnen zu suchen? Vielleicht stoßen wir mal in der Zukunft darauf. Wer weiß das schon?«
Suko hatte recht. So musste man es sehen.
Uns stand leider noch eine schlimme Aufgabe bevor. Wir mussten der Familie Zanussi berichten, dass auch ihre Nichte nicht mehr lebte. Und so etwas gehört zu den unangenehmsten Aufgaben, die man sich vorstellen kann…
ENDE
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