1532 - Das Bermuda-Erbe
waren beruflich sehr hart gewesen. Als hätten sich die Tiere gegenseitig abgesprochen, alle zum selben Termin krank zu werden.
Feierabend für heute. Gleichzeitig der Beginn des Wochenendes. Da blieb die Praxis geschlossen. Den Notdienst hatte ein anderer Tierarzt übernommen.
Maxine Wells strich durch ihr blondes Haar und zog den Kittel aus. Sie hängte ihn an den Haken und freute sich auf eine Dusche. Die würde den Stress des langen Tages abspülen, so hoffte sie.
Sie verspürte auch keine Lust, sich vor die Glotze zu hängen. Ein feines Essen, dazu ein Glas Wein, sich entspannen und ins Bett fallen, um tief und fest zu schlafen.
Maxine wohnte nicht allein in dem großen Haus mit der angeschlossenen Praxis. Es gab jemanden, der es mit ihr teilte. Und das war Carlotta, das Vogelmädchen.
Seit geraumer Zeit lebte es jetzt bei ihr, und sie waren dicke Freundinnen geworden. Carlotta war ein Phänomen. Durch die Gen-Experimente eines Professors namens Hex war sie zu einem Wesen geworden, das Flügel hatte. An ihr war ein Traum vieler Menschen wahr geworden, denn Carlotta konnte fliegen wie ein Vogel.
Nur wenige Eingeweihte wussten Bescheid, und Maxine sorgte dafür, dass es auch so blieb. Sie und Carlotta gingen nur wenig unter Menschen. Wenn es sich mal nicht vermeiden ließ, dann trug das Vogelmädchen eine Kleidung, die ihre Flügel verbarg.
Carlotta hatte sich bei der Tierärztin gut eingelebt, und trotzdem war die Angst vor einer Entdeckung bei Maxine nicht gewichen. Wenn Carlotta ihre Ausflüge machte, was sie tun musste, um in Form zu bleiben, da wartete die Tierärztin stets ängstlich darauf, dass sie unversehrt zurückkehrte. War sie einmal von der Welt entdeckt, dann würde eine unvorstellbare Hysterie beginnen. Und so war es wichtig, dass Carlotta nur in der Nacht flog. Da war die Gefahr einer Entdeckung wesentlich geringer.
Aber das Vogelmädchen hatte seinen eigenen Kopf. Es war auch älter geworden. Man konnte es mit einem Teenager vergleichen, und ein leicht pubertäres Verhalten legte es inzwischen ebenfalls an den Tag. So ließ es sich nicht mehr viel sagen, und Maxine Wells hatte sich daran gewöhnen müssen, dass Carlotta ihre Ausflüge manchmal auch am Tag unternahm.
Da die Stadt Dundee, in der sie lebten, an der Küste lag, war es für Carlotta ein Leichtes, hinaus aufs Meer zu fliegen. Wenn man sie sah und wenn sie dabei sehr hoch flog, hätte man sie auch für einen Vogel halten können, und darauf setzte sie.
Maxine machte sich trotzdem Sorgen. Auch an diesem Tag war Carlotta wieder unterwegs. Sie hatte allerdings versprochen, noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück zu sein, und bisher hatte sie sich immer daran gehalten.
Bisher - und so hoffte Maxine, dass es auch an diesem Freitag der Fall sein würde.
Bevor sie an sich dachte und unter die Dusche stieg, wollte sie noch nach Carlotta Ausschau halten, deshalb betrat sie zuerst ihr Zimmer. Sie brauchte keinen zweiten Blick, denn schon mit dem ersten erkannte sie, dass Carlotta noch nicht zurück war.
Sofort schlug ihr Herz schneller, denn die Angst um ihren Schützling war latent vorhanden. Sie wusste auch nicht, wohin Carlotta geflogen war, denn das sagte sie ihr nie. Erst später berichtete sie von ihren Ausflügen, wobei sie nur selten über irgendwelche Gefahren sprach, die ihr begegnet waren. Dabei hatten Maxine und sie schon Dinge erlebt, die über die Grenzen des menschlichen Verstandes hinausgingen. Beide wussten, dass die Welt noch andere Dinge bereithielt als die, die sie mit den eigenen Augen sahen.
Ob Zombies, Geister oder Dämonen, beide wussten, dass diese Wesen existierten, und sie wussten auch, dass es jemanden gab, der sie bekämpfte.
Der Mann lebte in London. Sein Name war John Sinclair und er war ihnen zu einem guten Freund geworden.
Es hatte keinen Sinn, wenn sie durch das Fenster schaute und nach Carlotta Ausschau hielt. So schnell würde Maxine sie nicht zu Gesicht bekommen. Dafür konnte sie zuschauen, wie der Herbst das Land allmählich in den Griff bekam. Die Blätter hatten bereits ihre erste Färbung angenommen, und es würde nicht mehr lange dauern, dann fielen sie ab. So neigte sich wieder mal ein Jahr dem Ende zu.
Es dunkelte bereits. Die Dämmerung schickte die ersten Schatten, und das fand Maxine nicht als so schlimm. Da hatte Carlotta zumindest eine leichte Deckung.
Sie verließ das Zimmer des Vogelmädchens, betrat ihr geräumiges Bad und stellte sich unter die Dusche, die sie als
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