1532 - Das Bermuda-Erbe
überrascht, als etwas Helles sie streifte, das aus der Höhe zu ihr drang.
Sie flog ein paar Meter zur Seite und hob den Kopf.
In der Wolkendecke war so etwas wie ein Loch zu sehen. Ein mit Licht gefüllter Kreis, der die Wolken vertrieben hatte, was Carlotta nicht begriff. Wenig später erkannte sie, dass es zwischen dem Licht am Himmel und dem Trichter eine Verbindung gab, denn die Helligkeit fiel nach unten genau in den wirbelnden Kreis.
Ihr Herz schlug schnell und heftig. Carlotta wusste sehr genau, dass etwas Unheimliches geschehen würde und sie die einzige Zeugin dessen war.
Es betraf das Schiff. Der Kreis hatte sich ausgebreitet, und seine Ränder gerieten näher an den Trawler heran. Carlotta sah, dass er anfing zu schaukeln. Er war in die Falle geraten, und sie glaubte nicht daran, dass er ihr noch entkommen konnte.
Auf dem Deck bewegte sich die Besatzung in einer wahren Panik. Die Männer rannten hin und her. Sie schrien und gestikulierten. Der Gefesselte lag jetzt auf dem Boden, wo er durch die Bewegungen des Schiffes von einer Seite zur anderen geschleudert wurde.
Der Wirbel zog den Trawler wie ein Magnet an. Nichts mehr half dem Schiff und seiner Besatzung, und Carlotta gab einen leisen Schrei ab, als sie beobachtete, wie das Schiff von dieser ungeheuren Gewalt des Strudels gepackt und in ihn hineingezogen wurde.
Es gab keine Rettung mehr.
Noch blieb das Schiff an den Seiten des Trichters. Es drehte sich im Uhrzeigersinn und wurde dabei immer tiefer gezogen, während das am Himmel stehende Licht es anleuchtete.
Dann schwappte das Wasser von allen Seiten über, auch an Bug und Heck. Es schlug auf dem Deck zusammen. Es erfasste die Menschen und wirbelte sie über die Planken wie Spielzeuge.
Carlotta flog auf der Stelle. Sie änderte ihre Blickrichtung und schaute in die Höhe.
Da war das Licht. Aber da waren auch die feinen Umrisse der Gesichter.
So groß wie die von Riesen. Aber es waren die Gesichter von Menschen, die alles beobachteten.
Wieder der Blick nach unten!
Es gab keine Chance mehr für das Schiff und seine Besatzung. Der Strudel besaß eine wahnsinnige Kraft, und der Trichter hatte sich in ein regelrechtes Höllenloch verwandelt.
Es verschlang alles.
Das Schiff und die Menschen.
Carlotta sah noch eine gewaltige Welle, die sich geteilt hatte. Von zwei Seiten rollte sie auf den Trawler zu, schlug über ihm zusammen, und nicht mal eine Sekunde später war von dem Schiff nichts mehr zu sehen.
Carlotta schwebte in der Luft und konnte nur staunen. Ihr Mund stand weit offen. Dass sie dabei leise Laute ausstieß, die wie Schreie klangen, bekam sie selbst gar nicht mit. Dafür sah sie, dass sich der Trichter wieder zurückzog. Von unten her wühlten sich die Wassermassen in die Höhe, und bald darauf gab es nichts mehr, was auf eine Existenz des Schiffes hingewiesen hätte. So wie immer lag die See unter Carlotta, die es kaum fassen konnte, was sie da erlebt hatte.
Mord!
Ja, sie hatte einen mehrfachen Mord erlebt. Und der Täter war das Meer gewesen. Aus der Nordsee war eine Mordsee geworden. Keine Spur mehr von dem Trawler. Die Tiefe hatte sich eine Beute geholt und war nicht mehr bereit, etwas davon zurück an die Oberfläche zu schleudern.
Einige Male flog Carlotta ihre Kreise genau über der Stelle, wo es passiert war. Vielleicht wurde noch der eine oder andere Körper an die Oberfläche gespült. Aber darauf wartete sie vergebens. Sie sah nur die grauen Wellen, das war alles.
Carlotta gewann wieder an Höhe. Sie war noch immer durcheinander. Es gab nur sie als Zeugin. Aber würde man ihr glauben?
Sie hatte keine Ahnung. Doch sie wusste, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Für den Trichter mochte es vielleicht eine Erklärung geben, aber für dieses Licht am Himmel und für die Gesichter, die sie dort gesehen hatte, war es schwer.
Sie sah jetzt, dass sich die Dämmerung allmählich ausbreitete, und es wurde Zeit für den Rückflug, den sie im Schutz der Wolken antreten würde. Es war eine recht weite Strecke, die auf sie wartete, und sie war gespannt, was Maxine zu dem Vorfall sagen würde. Sie würde ihr bestimmt zustimmen, dass hier etwas Unfassbares geschehen war, und das wiederum war ein Fall, der auch John Sinclair interessieren musste…
***
»Man nennt es bereits das schottische Bermuda-Dreieck«, sagte Sir James, wobei er Suko und mich anschaute.
»Und warum?«, fragte Suko.
»Weil dort Schiffe verschwunden sind.«
»Einfach so?«
»Ja,
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