1534 - Weg der Verdammten
ebenso ergangen. Plötzlich mit etwas konfrontiert zu werden, das es in Wirklichkeit nicht geben konnte, war schon verdammt hart, und das wusste auch Alain Roi. Er stand auf der Stelle und war einfach nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Was er sah, war zu grauenvoll, denn diese Gestalt war nicht nur erschienen, um ihn anzustarren, sie bewegte sich auf ihn zu, und die Klinge der gebogenen Sense schimmerte hin und wieder bläulich auf.
»Scheiße«, flüsterte Alain Roi, »das darf nicht wahr sein! Das kann es nicht geben. Ich - ich erlebe einen Albtraum. Warum muss ich das denn sehen, verflucht?«
Er konnte sich selbst keine Antwort geben. Das Grauen auf zwei Beinen kam näher. Dabei kratzte etwas über den Boden hinweg. Ob es die für Alain nicht sichtbaren Füße der Gestalt waren oder das Ende des Sensenstiels, das wusste er nicht, jedenfalls war die Horrorgestalt nicht zu stoppen. Sie befand sich weiterhin auf dem direkten Weg zu ihm, und je näher sie kam, umso größer wurde seine Angst. Schon längst hatte sich auf seinem Rücken eine zweite Haut gelegt, und auch sein Gesicht blieb nicht davon verschont. Er kam sich vor wie sein eigener Schatten, der sich vom Leben verabschiedet hatte.
Wie ging es weiter?
»He, he, he! Was ist los?« Alain Roi versuchte es. Er sprach die Gestalt an, er wollte eine Antwort. Es konnte ja sein, dass die Gestalt dazu tatsächlich in der Lage war, denn inzwischen rechnete er mit allem.
Der Andere antwortete nicht. Er ging weiter.
Ab und zu bewegte er seinen mit Blut beschmierten Totenschädel, von dem etwas Urböses ausging, das für Alain Roi nur schwer oder gar nicht zu begreifen war.
Er wich zurück.
Es war mehr ein Tappen, und er breitete dabei die Arme aus, als wollte er ums Gleichgewicht kämpfen. Sein Körper schwankte, die Augen waren weit geöffnet, und er konzentrierte seinen Blick auf die Gestalt, die sich nicht aufhalten ließ. Den ersten Stoß musste er hinnehmen, als er gegen die Kühlerhaube stieß. Er zuckte wie unter einem Stromstoß zusammen und bekam für einen Moment einen knallroten Kopf.
Er wartete zu lange. Er nahm die Chance nicht wahr, sich in das Fahrerhaus zu schwingen und so schnell wie möglich zu starten.
Als ihm der Gedanke kam, war es für ihn bereits zu spät. Da hatte ihn die Gestalt schon erreicht, und Alain Roi sah, wie die primitive Sense angehoben wurde.
Er wusste auch, dass dies nicht zum Spaß geschah, und er riss in einer schon verzweifelten Bewegung seine Arme in die Höhe, um die Klinge aufzuhalten.
Es war nicht zu schaffen.
Sie sauste auf ihn nieder!
Es war kein Volltreffer, der ihn erwischte. Er sah noch dieses Schimmern und erlebte einen brennenden Schmerz an der linken Schulter und am linken Arm. Zugleich erlitt er einen Schock und war nicht fähig zu schreien. Dafür sah er die Bemühungen der Gestalt vor sich umso genauer, und Alain wusste, dass der Tod ihn erreicht hatte und dieser nur noch zuzuschlagen brauchte.
Der zweite Hieb.
Da war plötzlich ein dünnes Pfeifen zu hören, als das Stahlblatt durch die Luft schnitt und grausam ins Ziel traf.
Es war Alains Glück, dass er nichts mehr merkte, denn der Unheimliche hatte das Gesicht getroffen. Alain Roi kippte nach hinten. Er sah noch so aus, als wollte er sich an der Kühlerhaube festhalten, doch das gelang ihm nicht mehr.
Aus seinem Körper war die Kraft gewichen. Auf der Stelle brach er zusammen, als die Knie sein Gewicht nicht mehr tragen konnten. Er blieb vor den Füßen seines Killers tot liegen.
Die Neugierde hatte sich für Alain Roi nicht ausgezahlt…
***
Godwin de Salier, der Templerführer, lächelte mich an.
»Du glaubst nicht, John, wie froh ich bin, dass wir mal wieder zusammen sind und uns so richtig reinhängen können.«
»Ich freue mich auch.«
»Dann trinken wir noch einen Kaffee?«
»Wie du willst.«
Godwin winkte der Bedienung. Es war ein junger Mann in schwarzer Kleidung, über der er als Kontrast eine senfgelbe Schürze trug, die fast bis zu seinen Knöcheln reichte. Auf dem Tisch stand noch der Teller mit dem Quarkgebäck, das uns geschmeckt hatte.
Godwin hatte darauf bestanden, dass wir uns an diesem neutralen Ort trafen. Auch er war froh, wenn er mal aus seinem Kloster wegkam, und dafür hatte er diesmal sogar eine etwas längere Fahrt auf sich genommen. Zwar kein Vergleich zu meiner, aber ich war mit dem Flieger auch schnell gewesen, und mein Freund hatte mich in Toulouse vom Airport abgeholt.
Wir waren dann
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