1534 - Weg der Verdammten
nur die Verriegelung lösen.
Nein!
Er zuckte zurück, denn er erinnerte sich daran, dass er die Kisten nur abladen sollte. Dabei wäre es kein Problem gewesen, die Deckel hochzuklappen.
So ganz war sein Vorsatz noch nicht verschwunden. Aber Alain Roi wollte die Kisten erst mal abladen und zu Boden stellen.
Er schob sie bis zum Rand der hinteren Ladefläche, sprang zu Boden und lud die beiden Kisten rasch ab, die er dann neben sich stellte. Es klappte alles wunderbar. Kein Problem. Die hundert Euro waren für ihn bis jetzt leicht verdientes Geld.
Er trug die beiden Kisten bis dicht an das Mauerwerk heran und stellte sie dort ab, wo es einen Eingang gab. Allerdings war es mehr ein Durchgang oder eine gebogene Brücke, auf der ein Teil des Gebäudes in die Höhe ragte, der wie ein breiter Turm aussah.
Alain hatte seine Arbeit beendet. Er richtete sich auf und schaute sich das an, was er schon vor Kurzem gesehen hatte. Es waren mehrere in den Boden eingerammte Stangen, die so etwas wie die Markierung einer Straße oder eines Weges bildeten.
Sie hörten am Beginn des Durchgangs auf, und Roi konnte sich darauf wirklich keinen Reim machen. Dass sie dort standen, war sicherlich kein Zufall, aber das alles störte ihn nicht. Viel wichtiger waren die beiden Kisten oder deren Inhalte.
Seine Neugierde wuchs. Er dachte zwar noch an die Warnung, nur wo kein Kläger war, da war auch kein Richter, und deshalb überlegte der Mann mit den dunklen langen Haaren nicht mehr lange.
Er wollte die Kisten öffnen.
Es war leicht. Die Kisten hatten zwar Deckel, aber die waren nicht verschlossen. Er brauchte nur zwei Bügel anzuheben und konnte die Deckel dann öffnen.
Kein Problem.
Bald lag der Inhalt vor ihn. Er sah, dass die Kiste nicht bis zum Rand gefüllt war, und so konnte er sich auch das Klappern erklären. Was da geklappert hatte, nahm ihm schon die Luft, denn in der Kiste lagen blanke Totenschädel…
***
Mit allem hätte er gerechnet, aber dieser Anblick überraschte Alain Roi so stark, dass er in den folgenden Sekunden nicht mehr denken konnte.
Er fühlte sich, als hätte ihm jemand ein Brett gegen die Stirn genagelt. Er atmete nicht mehr, sein Mund stand offen, und er wusste, dass er die zweite Kiste nicht zu öffnen brauchte, denn er würde dort den gleichen Inhalt finden.
Dass sein Herz schneller schlug, konnte er nicht vermeiden. In der Brust erlebte er einen Druck, der ihm neu war, und nach dieser Entdeckung bekam es Alain zudem mit der Angst zu tun.
Für wen waren die Schädel bestimmt? Wer konnte etwas mit diesen makabren Überbleibseln anfangen?
Sein Auftraggeber, das stand fest. Aber wer verbarg sich dahinter?
Danach hatte er nicht gefragt, und er wusste auch, dass es manchmal besser war, wenn man nicht zu viele Fragen stellte, aber so etwas wie hier hatte er noch nie erlebt.
Die zweite Kiste war geschlossen, und das sollte sie auch bleiben. Diese eine makabre Ladung reichte ihm. Es war wahrscheinlich besser, wenn er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machte.
Er trat zurück und schüttelte den Kopf. Totenschädel! So verdammt blank. Ohne Hautreste. Als wären sie abgefressen worden. Sie gaben sogar einen schwachen Glanz ab, wie er meinte. Das war einfach nicht zu fassen. In seinem vierzigjährigen Leben hatte Alain Roi schon so einiges transportiert, aber das hier war der Höhepunkt, das war nicht mehr zu überbieten.
Er stöhnte leise auf und dachte daran, dass es besser war, wenn er die ganze Geschichte vergaß und so schnell wie möglich verschwand, bevor es Ärger gab. Die Kiste verschließen, nur kein Gebein anfassen, denn das war nicht seine Sache.
Er klappte den Deckel wieder zu und drückte den Bügel wieder hinab.
Jetzt gab es nur noch eines: Ab in den Wagen und dann nichts wie weg.
Er wollte sich umdrehen, um den Gedanken sofort in die Tat umzusetzen, als er noch einen Blick durch den Durchgang warf. Und da sah er ihn! Sein Herz übersprang einen Schlag. Vor ihm stand eine fürchterliche Gestalt. Sie trug eine Kutte, das sah er recht deutlich, und sie hatte die Kapuze nach oben gestellt, sodass er ihr ins Gesicht schauen konnte.
Auch ein Knochengesicht! Aber anders als die Köpfe in der Kiste, denn über das Gesicht rann Blut in dünnen zittrigen Streifen, als wäre es eine Hinterlassenschaft den sensenartigen Waffe gewesen, die von einer knochigen Faust umklammert wurde…
***
Das waren Augenblicke, in denen Alain Roi die Welt nicht mehr verstand. Anderen Menschen wäre es
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