1535 - Der Satan von Soho
gewesen.
Ich merkte, dass mich allmählich eine gewisse Müdigkeit erfasste und ich es schwer haben würde, wenn ich jetzt aufstehen müsste. Ich horchte nach draußen, um etwas von meinem Schützling mitzubekommen. Ein schwaches Atmen, ein leises Schnarchen vielleicht oder ein Murmeln im Schlaf.
Nichts dergleichen traf zu.
Vielleicht war es Lucy Martin besser ergangen als mir, und sie war tatsächlich in einen tiefen Schlaf gefallen. Gern hätte ich einen Blick auf sie geworfen, doch ich kam nicht so recht hoch. Mein Körper fühlte sich an wie mit Blei gefüllt. Der Wille war zwar vorhanden, nur das Fleisch war einfach zu schwach.
Und trotzdem schlief ich nicht ein. Ich geriet in einen Zustand zwischen Wachsein, Schlaf und Koma. Es war schon seltsam, so etwas erleben zu müssen, und ich konnte mich nicht daran erinnern, dies schon mal durchgemacht zu haben.
Ich war platt, schwer und träge!
Nicht mal den linken Arm konnte ich anheben, um einen Blick auf die Uhr zu werfen.
Bisher konnte ich mich nicht beschweren, es war letztendlich alles gut über die Bühne gelaufen, aber das änderte sich, und wieder musste ich erleben, dass ich nicht sofort hochkam.
Das ungewöhnliche und auch unheimlich klingende Geräusch war nicht zu überhören.
In den ersten Sekunden hatte ich Probleme damit, es überhaupt zu identifizieren. Ich schaffte es, mich auf die Ellbogen zu stemmen, aber auch dann war die Trägheit noch nicht weg, und das unheimliche Geräusch wiederholte sich. Ich erlebte eine Gänsehaut in Nackenhöhe und war noch immer damit beschäftigt, die Laute zu identifizieren.
Da wiederholten sie sich erneut.
Grunzen, würgen, auch krächzen. Genau das vernahm ich, und ich hörte zwischendurch einen leisen Frauenschrei.
Der war es, der mich munter machte. Die Trägheit verschwand, als wäre sie weggespült worden. Ich war wieder ich selbst und schwang mich mit einer raschen Drehung aus dem Bett.
Sofort stand ich auf den Füßen. Es war mir egal, ob ich Schuhe trug oder nicht, ich wollte nach Lucy Martin schauen und erfahren, was sie so erschreckt hatte.
Beim ersten Blick in den Wohnraum sah ich, dass sie nicht mehr auf der Couch lag, sondern saß. Jedoch nicht so steif, denn sie drehte den Kopf in verschiedene Richtungen.
»Lucy!«
Sie erschrak, obwohl ich leise gesprochen hatte. Hätte jemand Eiswasser über sie gegossen, sie hätte sich nicht anders verhalten als jetzt. Stockend flüsterte sie: »Da war etwas.«
»Ja, ein Geräusch.«
»Und was war das?«
Ich hob die Schultern, löste mich von der Tür und schritt auf Lucy zu.
»Das kann ich Ihnen leider nicht genau sagen. Es war für mich undefinierbar.«
Lucy überlegte. Dabei strichen ihre Handflächen über die Decke.
»Aber da war noch etwas anderes«, flüsterte sie.
»Was denn?«
Sie schluckte und traute sich zunächst nicht, eine Antwort zu geben. Erst nach einer Weile rückte sie damit heraus.
»Ein Schatten. Ich habe einen Schatten gesehen.«
Das überraschte mich. Etwas verwundert fragte ich: »Wo haben Sie ihn denn gesehen?«
Sie bewegte ihre Hände und deutete damit in alle Richtungen. »Er war überall.« Sie hob die Schultern. »Ich bin sicher, dass ich mich nicht geirrt habe.«
Ich sah keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Aber ich wollte mehr wissen.
»Hatte der Schatten eine Form? Oder war er formlos?«
Lucy schwieg. Sie wollte oder konnte nicht mit der Sprache herausrücken. Aber mir war auch klar, dass der Begriff Schatten einfach zu wenig war.
Schließlich rückte sie mit der Sprache heraus und flüsterte: »Lachen Sie mich bitte nicht aus.«
»Ich werde mich hüten.«
»Der Schatten hat für mich ausgesehen wie ein Schwein.« Sie nickte.
»Ja, ein Schweinskopf. Nicht klein, sondern groß. Er malte sich an der Wand ab und hüpfte dann von einer zur anderen. So war er immer unterwegs. Das ging wahnsinnig schnell…«
Ich hatte genau zugehört, aber meine Gedanken waren mit etwas anderem beschäftigt. Hatte ich nicht bei dem kurzen Trip in die Vergangenheit unten am Wasser ein Grunzen gehört?
Lucy fiel die Veränderung in meinem Gesicht auf.
»Was ist mit Ihnen, Mr Sinclair? Sie sehen so anders aus.«
»Ich habe nur über etwas nachgedacht.«
»Darf ich wissen, über was?«
»Sicher.« Ich berichtete ihr von meinem Verdacht, denn ob das Grunzen tatsächlich an meine Ohren gedrungen war, stand noch nicht fest, und das sagte ich Lucy klipp und klar.
»Ja, das muss wohl so gewesen sein.«
»Haben Sie es auch
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