1535 - Der Satan von Soho
kreidebleiches Gesicht gesehen.
Aber hier gab es keinen Spiegel.
Dann fand ich den dritten Toten, dessen Brust regelrecht aufgeschlitzt worden war.
Ich hatte schon verdammt viel erlebt, und das war beileibe nicht immer nett gewesen. Was ich allerdings hier zu sehen bekam, das hinterließ bei mir schon einen heftigen Schock und natürlich eine Frage.
Wer hatte das getan?
Warum hatte mich das Kreuz durch seine Reaktion alarmiert? Es musste den Killer und dessen Aura gespürt haben.
Wenn das so zutraf, dann war der Mörder kein normaler Mensch. Dann musste er einfach mit den Mächten der Finsternis in einem Zusammenhang stehen.
Das war mir jetzt klar geworden. Ob es noch weitere Leichen gab, hatte ich bisher nicht sehen können. Ich ging aber davon aus, deshalb wollte ich schon jetzt die Kollegen alarmieren.
Dazu kam ich zunächst nicht mehr. Das Handy blieb in der Tasche, aber meine Ohren weiteten sich, denn ich hörte plötzlich das Keuchen und Weinen. So genau war es nicht zu unterscheiden, aber es erreichte mich von vorn und aus den sich drehenden Nebelschwaden, die mir die Sicht nahmen. Dafür hielt ich neben der Beretta noch meine Lampe fest.
Ich ging sehr vorsichtig und angespannt weiter. Dabei hatte ich den Eindruck, durch eine Suppe zu schreiten, die vor mir zurückzuweichen schien.
Keine Leiche mehr. Dafür sah ich etwas Schwarzes und Dunkles innerhalb des Nebels.
Es war ein Hindernis, wie ich wenig später erkannte. Auch wenn der Nebel einen scharfen Lichtstrahl nicht zuließ, so traf er trotzdem ein Ziel.
Auf dem Boden und genau vor dem Hindernis saß eine Gestalt. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es sich um eine Frau handelte. Sie saß auf dem Boden, den Kopf hatte sie gesenkt und die Beine so weit angezogen, dass sie die Stirn auf die Knie legen konnte.
Ihr Körper zuckte, weil sie weinte, und ich dachte daran, dass der Killer sie verschont hatte.
Ich sprach sie leise an. »Hallo…«
Ein Schrei. Ein Zusammenzucken.
Sie riss die Hände vor dem Gesicht weg. Die Arme flogen in die Höhe, aber sie selbst blieb auf dem Platz sitzen und schien sich mit ihrem Körper in die Mauer in ihrem Rücken drücken zu wollen.
»Bitte«, sagte ich, »bitte, ich tue Ihnen nichts…«
Sie schrie nicht mehr. Nicht meine Worte hatten dafür gesorgt, sie hatte sich verschluckt und musste husten. Ich nutzte die Zeitspanne aus und hockte mich neben sie.
Der Hustenanfall ging vorbei.
»Ich - ich - will nicht sterben. Bitte nicht…«
»Keine Sorge, Sie werden nicht sterben. Ich werde dafür sorgen. Aber ich denke, dass wir von hier verschwinden sollten. Es ist nicht gut, bei den Toten zu bleiben.«
»Ja, das stimmt.«
»Haben Sie es gesehen?«
Sie nickte.
Das reichte mir. Ich wollte nicht mehr fragen, was genau abgelaufen war, das hatte später noch Zeit. Ich wunderte mich nur darüber, dass ich den Mörder nicht gesehen hatte, trotz des Nebels, denn das Kreuz hatte mich noch am Beginn dieses Weges gewarnt. Da war er noch hier gewesen.
Ich wollte die Schuld dem Nebel zuschreiben, aber damit war ich komischerweise nicht zufrieden. Es musste noch etwas anderes passiert sein, was ich mir bisher nicht erklären konnte.
Ich kam erneut nicht dazu, die Kollegen anzurufen. Die Frau wollte wieder sprechen und drückte sich dabei eng an mich.
»Er war so plötzlich weg.«
»Der Mörder?«
»Ja.«
»Und wie?«
»Er hat sich aufgelöst. Er tanzte in den Nebel hinein, er drehte sich immer schneller um sich selbst, und plötzlich war er verschwunden. Ich habe noch so lilafarbene Spiralen gesehen und dann nichts mehr.«
»Aber er hat die Männer getötet?«
»Ja«, erwiderte sie tonlos. »Er hat mit dem Schwert getötet. Er hat sie alle drei umgebracht. Ich hatte eine höllische Angst, dass ich auch dran glauben müsste, doch er hat mir nichts getan. Er ließ mich in Frieden, was ich noch jetzt nicht begreifen kann, aber ich muss sagen, dass er mich gerettet hat.«
»Okay, das begreife ich. Wovor hat er Sie gerettet?«
»Vor den drei Hurensöhnen. Sie hatten mich gefangen und wollten mich hier an der Mauer vergewaltigen. Sie…«
Schlagartig änderte sich ihr Verhalten. Sie konnte nicht mehr sprechen.
Sie erlitt so etwas wie einen Schock. Sie wurde starr, und dann fing sie an zu weinen.
Sie brach praktisch neben mir zusammen, und es war jetzt wichtig, dass ich ihr Zeit ließ.
In meiner Nähe war ein schauriges und auch schlimmes Verbrechen begangen worden. Ich hatte es nicht verhindern
Weitere Kostenlose Bücher