155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
Nachricht zu überbringen, dass Ihr am Leben seid und die Heimreise antreten werdet, sobald es Euer Gesundheitszustand erlaubt. Und jetzt“, wehrte er ihren Dank ab, „müsst Ihr endlich etwas essen.“
„Nein, ich habe keinen Hunger.“
„Unsinn.“ Keane füllte eine Schüssel mit der kräftigen Brühe, die Mistress Malloy in einem Topf heraufgebracht hatte. Ohne sich um Brianas Protest zu kümmern, hob er sie in eine sitzende Position und stopfte ihr ein paar Kissen in den Rücken.
Er war davon ausgegangen, dass er nun, nachdem sich seine Vermutung, sie sei eine Nonne, bestätigt hatte, nicht mehr so intensiv auf ihre körperliche Nähe reagieren würde. Doch Keane hatte sich grundlegend geirrt. Es gelang ihm nicht, keine Notiz von dem schmalen Körper mit den zarten weiblichen Rundungen zu nehmen. Verlangen schoss wie eine Flamme in ihm hoch.
Es war schon sehr, sehr lange her, seitdem er ähnliche Gefühle gehabt hatte. Gefühle, seit langem begraben in der Hoffnung, sie würden ihn niemals wieder heimsuchen.
Keane blieb nichts weiter übrig, als die Aufgabe, die er sich selbst gestellt hatte, so schnell wie möglich zu erfüllen, damit er wieder eine Distanz zwischen sich und Briana herstellen konnte.
Briana war mindestens so verwirrt wie Keane, wenn nicht sogar noch mehr. Bei der leisesten Berührung zuckte sie zusammen. Doch sie redete sich ein, dass ihre übertriebene Reaktion nichts mit ihrem Gastgeber zu tun hatte. Vielmehr lag ihre Unsicherheit an der Tatsache, so lange völlig isoliert gewesen zu sein von jeder Art von normalem Leben. Auf die Berührung durch einen beliebigen anderen Mann hätte sie genauso heftig reagiert.
Gerade hob er die kleine Schüssel hoch und hielt sie ihr hin. „Schafft Ihr es allein, oder soll ich Euch helfen?“
Briana streckte eine Hand nach dem Gefäß aus, doch im selben Augenblick schoss ein glühender Schmerz durch ihren Arm. Mit einem leisen Aufschrei ließ sie die Hand sinken.
„Vorsicht.“ Keane bemühte sich um einen warmen, weichen Tonfall, um Briana zu beruhigen. „Ihr habt eine ziemlich böse Verletzung an der Schulter davongetragen. Ein anderer Schwerthieb traf Euch in die Brust. Hätte die Klinge Euer Herz getroffen, hätte es zweifellos keine Rettung mehr für Euch gegeben.“
Bevor sie einen erneuten Versuch unternehmen konnte, die Schüssel zu halten, hatte sich Keane bereits auf die Bettkante gesetzt und hielt Briana die Schüssel mit der aromatischen Brühe an die Lippen. Mit einem Gefühl tiefer Befriedigung beobachtete er, wie sie langsam einen Schluck nach dem anderen nahm.
Um der Situation etwas von der eigentümlichen Intimität zu nehmen, verwickelte Keane sie in ein Gespräch über das, was geschehen war. „Könnt Ihr Euch an die Schlacht draußen auf den Feldern erinnern?“, wollte er wissen.
Briana schüttelte den Kopf. „In meinen Träumen sehe ich schreckliche Dinge. Aber wenn ich aufwache, sind sie wie Nebelschwaden verschwunden. Ich weiß nicht, wie viele Engländer dort waren. Aber ich erinnere mich in allen Einzelheiten an den Anblick so vieler hilfloser Menschen.“ Sie zitterte ein wenig. „Die Leute hatten keinerlei Möglichkeit, sich zu verteidigen. Sie hatten nur ganz wenige Schwerter und Messer.“
Keane nickte grimmig. „Ja, die Menschen sind schlecht gerüstet für die ständigen Überfälle durch die englischen Soldaten.“ Bitterkeit erfüllte ihn, als er daran dachte, dass sein eigener Vater dafür verantwortlich zeichnete. „Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass Ihr selber heftige Gegenwehr geleistet habt.“
Zum allerersten Male sah er sie lächeln, und der Liebreiz ihrer nach oben gebogenen, sanft geschwungenen vollen Lippen nahm ihm fast den Atem.
„Ich habe nicht mein ganzes Leben im Kloster verbracht“, erzählte Briana. „Ich konnte beinahe so gut mit einem Schwert umgehen wie meine Brüder. Ich bin sicher, dass ich, wenn ich auf Ballinarin geblieben wäre, mittlerweile noch besser wäre als sie.“
„Dann ist es vielleicht ganz gut, dass Ihr zu den Nonnen gegangen seid. Ich glaube nicht, dass Irland schon dazu bereit ist, sich von einem Mädchen in die Schlacht führen zu lassen.“
„So kann nur ein Mann reden.“ Briana stieß seine Hand beiseite. Jeglicher Appetit war ihr vergangen. Keanes Worte hatten sie schmerzlich erinnert an das, was ihr Vater vor so langer Zeit in seinem Zorn zu ihr gesagt hatte.
Keane erhob sich schweigend und stellte die Schüssel auf dem Nachttischchen ab.
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