155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
ein unbestimmtes Gefühl, das ihn dazu veranlasste, sich zum Bett umzudrehen. Das Mädchen mit den seltsam gelblichen Augen starrte ihn, ohne mit einer Wimper zu zucken, an.
„Oh!“ Keane trat näher. „Ihr seid aufgewacht!“
Briana war schon eine ganze Weile wach gewesen und hatte ihn dabei beobachtet, wie er ruhelos im Raum umhergegangen war. Wie ein eingesperrtes Tier, hatte sie gedacht. Ja, wie ein geschmeidiges, schwarzes Raubtier mit ungeheurer Energie.
Keane kam näher und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Prüfend legte er Briana eine Hand auf die Stirn, und sofort spürte er wieder ihren ungeheuren Widerwillen gegen seine Berührung, obwohl sie sich dieses Mal nicht zurückzog.
Auch seine eigene Reaktion war die gleiche, wie er sie stets spürte, wenn er in der Nähe dieses Mädchens war. Er bemühte sich, das eigentümliche Kribbeln unter der Haut zu ignorieren.
Nachdem er die junge Frau nun schon so viele Nächte hindurch beobachtet hatte, glaubte er sie zu kennen. Es war so, als ob er jeden ihrer rasselnden Atemzüge in der eigenen Brust spüren konnte. Er hatte sie bewundert für den zähen Überlebenskampf, den sie ausgefochten hatte in Situationen, in denen andere an ihrer Stelle wohl aufgegeben hätten. Er hatte Mut geschöpft bei jedem noch so winzigen Anzeichen einer Besserung ihres Befindens.
„Wisst Ihr noch, wo Ihr seid?“, erkundigte er sich leise.
Briana nickte. „Ich glaube, Ihr nanntet diesen Ort Carrick House.“ Sie war froh, dass beim Sprechen ihr Hals nicht mehr schmerzte. Doch der Rest ihres Körpers schien von dem Heilungsprozess noch nicht erfasst worden zu sein. Immer noch zuckte der Schmerz wie glühende Eisen durch alle Glieder und den Brustkorb. „Ich dachte, ich hätte Eure Existenz nur geträumt.“
Keane war angenehm berührt von ihrer Stimme. Was für ein Unterschied zu dem schrillen Rufen und Schreien der Dienstmädchen. Doch er wusste natürlich nicht, ob die Stimme der kleinen Nonne von Natur aus so tief, kultiviert und irgendwie atemlos klang oder diese Attribute den Verletzungen zuzuschreiben waren. Auf jeden Fall wollte er noch mehr von ihr hören. „Und wieso habt Ihr so etwas geglaubt?“
Briana schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Es war wohl das Fieber, nehme ich an. Ich hatte angefangen, von Euch als meinem dunklen Engel zu denken.“
„Vielleicht bin ich das ja tatsächlich.“ Keane verzog keine Miene. Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns war ihm anzumerken. „Mein Name ist Keane O’Mara. Carrick House ist die Heimat meiner Vorfahren.“ Er streckte ihr eine Hand hin.
Ihr blieb trotz ihres Unbehagens keine andere Wahl, als ihm ebenfalls eine Hand zu reichen. „Ich heiße Briana O’Neil.“
Es war für beide ein spannungsgeladener Moment. Sie spürten die plötzliche gegenseitige Wärme und lösten die Hände hastig voneinander.
„O’Neil?“, wiederholte Keane nachdenklich. Wo seid Ihr zu Hause?“
„Auf Ballinarin.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Davon habe ich schon gehört. Ihr seid aber sehr weit fort von zu Hause.“
Schon der Gedanke an Ballinarin verursachte Briana ein sehnsüchtiges Ziehen in der Herzgegend. „Ja.“
Keane hörte eine große Verlorenheit aus der einsilbigen Antwort heraus. „Seid Ihr schon lange fort von dort?“
„Drei Jahre.“
Sein Blick fiel auf das Kreuz, das auf dem Laken neben ihrer Hand lag.
Briana bemerkte seinen Blick mit der unausgesprochenen Frage darin. „Ich war im Kloster von St. Claire.“ Sie umschloss mit den Fingern das kleine Kreuz. Das vertraute Gefühl gab ihr ein wenig Sicherheit.
„Das kenne ich auch“, versetzte Keane. „Es ist mindestens einen Tagesritt von hier entfernt. Welchen Grund hattet Ihr, in unser Dorf zu kommen?“
„Ich war nur auf der Durchreise“, erklärte Briana leise und seufzte bei der Erinnerung daran, wie bereitwillig sie das Kloster verlassen hatte.“ Wir waren erst einen Tag unterwegs, als die Soldaten angriffen.“
„Und wer waren die jungen Burschen in Eurer Begleitung?“
„Jungen aus meinem Heimatdorf, die meine Eltern geschickt hatten, um mich abzuholen und sicher nach Hause zu geleiten. Wie seltsam, das ich nun diejenige bin, die überlebt hat. Sie werden ihre Familien niemals wiedersehen.“
Keane merkte, dass ihr beinahe die Stimme brach vor mühsam zurückgehaltenen Tränen. „Ich werde dafür sorgen, dass sich ein Bursche aus unserem Dorf alsbald auf den Weg nach Ballinarin macht, um Euren Eltern eine
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