155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
gewöhnt war. Diese hier war von der Sonne tief gebräunt und dabei doch so weich wie die eines Neugeborenen.
Die winzige Berührung verursachte Keane höchst unerwünschte Empfindungen. Sie fingen als Kribbeln in den Fingerspitzen an und erfassten binnen Sekunden seinen ganzen Körper.
Gewiss war der fehlende Schlaf daran schuld. Er fing ja schon an, Dinge zu sehen, die nicht real waren, und sich Fantasien hinzugeben, die völlig fehl am Platze waren. Das Mädchen im Bett war eine Nonne. Nur ein Idiot oder ein Taugenichts würde sich Gefühle dieser Art gegenüber einem jungen unschuldigen Mädchen, das sein Leben in den Dienst Gottes gestellt hatte, erlauben.
Briana konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Er sprach sehr kultiviert mit einem winzigen Hauch von Dialekt, der aber gewiss nicht irisch war. Englisch, dachte sie, wie die Soldaten, die uns angegriffen haben. Sie krümmte sich kaum merklich, um Keanes Berührung auszuweichen.
Er bemerkte ihre Reaktion jedoch und war für einen kurzen Moment ärgerlich. „Ich werde Euch nichts tun. Nicht nach allem, was ich vergangene Nacht getan habe, um Euer Leben zu retten.“
„Retten …“ Es bereitete Briana so furchtbare Schmerzen, auch nur dieses einzige Wort hervorzustoßen, dass sie den Versuch zu reden aufgab.
Keane lehnte sich zurück, um jede Berührung zu vermeiden, und streckte die langen muskulösen Beine. „Ja, ich hatte schon befürchtet, das Fieber würde Euch dahinraffen.“ Die Anspannung der Nacht wich von ihm. Er hatte den Kampf aufgenommen und gewonnen. Das Mädchen hatte die Krise überlebt. Zumindest diese erste Krise. Keane hoffte inständig, dass es keine zweite geben würde.
Briana beobachtete ihn intensiv, während er sprach. Sein Gesicht hätte das eines Engels sein können – eines dunklen Engels. Das dichte schwarze Haar war völlig zerzaust, als ob er es in ohnmächtigem Zorn mit den Fingern durchgewühlt hätte. Seine rauchgrauen Augen unter ausgeprägten dunklen Brauen trugen einen Ausdruck höchster Aufmerksamkeit. Er hatte eine gerade, kräftige Nase und leicht geschwungene Lippen.
„Wo …?“, stieß sie mühsam hervor, hielt jedoch sofort inne. Wie zum Schutz gegen den unerträglichen schneidenden Schmerz in ihrem Hals kniff sie die Augen zusammen.
„Wo Ihr seid, wollt Ihr wissen?“, half Keane nach. „Ihr seid in meinem Zuhause, Carrick House. Ich habe Euch hierherbringen lassen, nachdem man Euch in den Feldern gefunden hatte. Erinnert Ihr Euch an den Kampf dort draußen?
Briana nickte. Wie würde sie das Geschehen jemals vergessen können? Es war wie ein Albtraum gewesen, der einfach nicht enden wollte. Selbst jetzt glaubte sie die Schreie der Verletzten und Sterbenden hören zu können.
„Andere …?“
Keane schüttelte den Kopf. „Außer Euch gab es keine Überlebenden.“
Briana wurde von einer Woge der Trauer überschwemmt. Sie kniff die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Die vier Jungen, die noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt hatten! Doch statt in eine viel versprechende Zukunft zu gehen, hatten sie sich für Briana geopfert. Das war sie nicht wert!
„Hier, Mädchen, das wird Euch Linderung verschaffen.“
Sie öffnete die Augen. Keane saß jetzt dicht neben ihr auf der Bettkante und hielt einen Becher Wasser in der Hand. Äußerst behutsam hob er ihren Kopf ein wenig an und hielt ihr den Becher an die aufgesprungenen, spröden Lippen.
Erneut spürte er die Hitze, die seinen Körper durchströmte. Er war wohl erschöpfter, als ihm bewusst war. Wie sonst konnte eine einfache, schmucklose Nonne derartige Gefühle in ihm auslösen?
Briana nippte und spuckte die Flüssigkeit beinahe umgehend wieder aus.
„Verzeiht, ich hätte Euch warnen sollen. Ich hatte meine Haushälterin angewiesen, ein starkes schmerzlinderndes Mittel bereitzuhalten“, erklärte Keane. „Nun trinkt, es wird Euch helfen und die Schmerzen lindern.“
Obwohl das Getränk ihr ein heftiges Brennen im Hals verursachte, tat Briana, was er von ihr verlangte.
Anschließend ließ Keane ihren Kopf vorsichtig zurück auf das Kissen gleiten, erhob sich und trat einen Schritt zurück, um die Decken glatt zu ziehen. Dabei war ihm ihr gehetzter Blick, der dem eines wilden Tieres ähnelte, das in der Falle saß, bewusst.
Er hob etwas von dem kleinen Tischchen hoch und hielt Briana einen Gegenstand hin, von dem er hoffte, dass sie sich bei dem Anblick etwas beruhigen würde. „Hier, eine der Mägde fand dies. Ihr trugt es
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