155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
Wunsch.
4. KAPITEL
„Guten Morgen, Mylady!“ Cora segelte förmlich herein, zog schwungvoll die schweren Vorhänge vor den Fenstern zurück und stellte sich dann abwartend neben das Bett. Aufmerksam sah sie Briana an und erklärte sodann: „Ihr scheint etwas mehr Farbe in den Wangen zu haben. Das ist ein gutes Zeichen. Wollt Ihr vielleicht mal versuchen aufzustehen und ein wenig im Zimmer herumgehen?“
„Ich weiß nicht.“ Briana feuchtete mit der Zunge die trockenen Lippen an. Für sie waren Tage und Nächte wie in Trance ineinander übergegangen. Dank der Betäubungsmittel und der langen Schlafphasen hatte der tief in ihrem Inneren brennende Schmerz allmählich nachgelassen.
Briana setzte sich aufrecht hin, wartete, bis das leichte Schwindelgefühl vorüber war. Dann schob sie sich an die Bettkante und streckte die Beine aus, bis die Füße den Boden berührten. „Wie lange bin ich schon hier in Carrick House?“, wollte sie wissen, denn sie hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren.
„Zwei Wochen, Mylady.“
„So lange habe ich geschlafen?“, hakte sie nach.
„Mistress Malloy sagt, das kommt von den Opiaten. Und daher, dass Euer geschundener Körper so viel Ruhe zum Heilen brauchte.“
„Nun, was auch immer der genaue Grund sein mag, ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich beinahe wieder vollkommen lebendig fühle.“
„Der gnädige Herr hat angeordnet, dass wir, sobald Ihr bereit dazu seid, für Euch ein Bad herrichten sollen. Fühlt Ihr Euch heute kräftig genug dafür?“
Briana lächelte hocherfreut. „Für ein Bad werde ich alle mir zur Verfügung stehenden Kräfte aufbringen.“
Fürsorglich schüttelte Cora mehrere Kissen rund um Briana auf. „Ich hole schnell Mistress Malloy und ein paar Dienstboten. Ich bin gleich wieder da.“
Das Dienstmädchen hatte nicht zu viel versprochen. Innerhalb kürzester Zeit war Mistress Malloy zur Stelle, in ihrem Gefolge ein ganzer Schwarm von Dienstmädchen.
„Ihr wollt ein Bad nehmen?“ Die etwas plump wirkende Haushälterin hatte rosige runde Wangen und hellwach blickende blaue Augen. Jetzt stemmte sie die Hände in die fülligen Hüften und betrachtete neugierig das junge Mädchen, dem der Herr des Hauses so viel Zeit und Energie gewidmet hatte.
„Ja, ich fühle mich heute kräftiger und glaube, dass ich es schaffen kann.“
„Versucht aber keinesfalls, ohne Hilfe zu stehen oder gar zu gehen.“ Mistress Malloy hakte Briana an einer Seite unter, Cora auf der anderen Seite. Langsam und vorsichtig geleiteten sie ihren Schützling zu dem großen Bottich, der mit warmem Wasser gefüllt worden war, halfen Briana beim Auskleiden und stützten sie, als sie in den Bottich stieg.
Voller Wohlbehagen schloss sie die Augen, als Cora begann, ihr die Haare zu waschen. „Oh wie wunderbar! Es ist Jahre her, seit ich dermaßen verwöhnt wurde.“
„Habt Ihr denn im Kloster nie ein Bad genommen?“, erkundigte sich eines der Dienstmädchen verwundert.
Briana lachte. „Im Kloster wäscht man sich mit kaltem Wasser aus einer Schüssel.“ Sie zitterte bei der bloßen Erinnerung an diese tägliche Tortur, bevor sie fortfuhr: „Es blieb nie Zeit, das Wasser über dem Feuer zu erwärmen. Wir mussten uns beeilen, um rechtzeitig zum Morgengebet in der Kapelle zu sein.“
„Habt Ihr geweint, wenn Euch das Haar geschoren wurde?“, wollte Cora wissen. „Es muss absolut wunderbar ausgesehen haben. Es hat die Farbe von mit Gold durchwirktem Feuer.“
„Oh ja, ich habe eimerweise Tränen um meine Haarpracht vergossen. Doch später, als ich erkannte, dass ich mich der Sünde der Eitelkeit schuldig gemacht hatte, wurden Äußerlichkeiten für mich immer bedeutungsloser. Die Mutter Oberin erinnerte mich immer und immer wieder daran, dass auf dieser Welt nicht zählt, was ein Mensch äußerlich zur Schau trägt, sondern was er in seinem Herzen trägt.“
Mistress Malloy nickte. Dieses Mädchen war so ganz nach ihrem Geschmack. Briana war eine willkommene und erfrischende Abwechslung im Reigen der vielen noblen Damen, die sich als überlegen und etwas Besseres als der Rest der Welt fühlten. Allerdings, so räumte die Haushälterin ein, ist eine solche Demut ja schließlich zu erwarten von einer jungen Frau, die ihr Leben Gott geweiht hat.
Briana tauchte ein wenig tiefer in das warme Wasser. Sie fühlte sich unbeschreiblich behaglich und genoss das Gefühl grenzenloser Freiheit. Nachdenklich sagte sie: „Ich habe mich selbst schon seit
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