155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
wäre ohne größere Gegenwehr zur Hingabe bereit gewesen. Ihre Küsse, obwohl unerfahren, waren bereitwillig gewesen. In ihr brodelte überwältigende Leidenschaft, und Keane fühlte sich wie magisch davon angezogen. Briana war aufregend, steckte ihm im Blut. Sie war eine verlockende Beute für ihn.
Unwillkürlich musste er daran denken, was wohl geschehen wäre, wenn Vinson nicht wegen der Holzscheite hereingekommen wäre und die Umarmung unterbrochen hätte. Und bei diesem Gedanken fiel Keane auf, dass es am Vorabend mehrere Unterbrechungen dieser Art gegeben hatte. Konnte es sein, dass seine Bediensteten ihm nicht über den Weg trauten und sich verpflichtet fühlten, „ihr Mädchen“ vor den Gelüsten des Herrn über Haus und Hof zu schützen?
Bei dieser Überlegung lachte Keane leise auf. Vielleicht brauchte er vielmehr selber Schutz vor Briana? Das Mädchen war in seiner Süße und Unschuld unwiderstehlich. Sein Geist und Körper waren gleichermaßen verlockend für Keane.
Er begann erneut, hin und her zu laufen, als er sich die Unterhaltung mit Briana in allen Einzelheiten ins Gedächtnis rief. Es war so viel gewesen, worüber sie sich ausgetauscht hatten. Und nun kamen ihm alle möglichen und unmöglichen neuen Ideen und Gedanken in den Kopf.
Er war der Überzeugung gewesen, weit fortgehen zu müssen, um seine Vorstellungen über Fruchtwechsel auf den Äckern sowie die Einfuhr von Vieh zu Zuchtzwecken in die Realität umzusetzen. Dazu gehörten auch seine Überlegungen, wie er das Leben von Untertanen erleichtern und sie zur Selbstständigkeit ermutigen könnte. Auch der Gedanke an Handel mit anderen Ländern war verlockend.
Doch wenn er es schaffen könnte, seinen lädierten Ruf zu ignorieren und stattdessen aufrichtiges Interesse an Land und Leuten hier in Carrick entwickelte und auch zeigte, dann würden sich ihm die Menschen hier vielleicht öffnen. Und dann bestand auch die entfernte Möglichkeit, dass er sich eines Tages in Irland wieder heimisch fühlen würde.
Ein Klopfen an der Tür riss Keane aus seinen tiefsinnigen Überlegungen. „Herein!“, rief er sehr unwillig.
„Verzeiht, Mylord“, bat Vinson. Er stand auf der Türschwelle und hielt eine brennende Kerze hoch. „Ich sah Licht in Eurem Gemach und dachte, dass Ihr vielleicht für irgendetwas meine Hilfe brauchen könntet.“
„Nein, nein!“, wehrte Keane heftig ab. „Geh zu Bett, alter Mann.“
„Sehr wohl, mein Herr.“Vinson wandte sich zum Gehen.
„Halt, warte noch.“ Keane hatte spontan seine Meinung geändert. „Wenn du schon hier bist, dann komm herein, und mach die Tür hinter dir zu.“ Während dieser letzten Worte war sein Tonfall weicher geworden. Der treue Butler hatte es nicht verdient, so angeranzt zu werden.
Vinson wappnete sich innerlich gegen den Tadel, den er jetzt höchstwahrscheinlich wegen der Störmanöver des gestrigen Abends zu hören bekommen würde.
„Vinson, ich möchte deine ehrliche Meinung hören zu dieser Frage: Glaubst du, dass eine von schlimmsten Sünden schwarze Seele jemals wieder reingewaschen werden kann?“
Mit diesem Anliegen hätte Vinson in seinem ganzen Leben nicht gerechnet. Er zwinkerte ein wenig vor Überraschung. „So wird es uns von der Kirche gepredigt, Mylord.“
Keane winkte ungeduldig ab. „Ich rede nicht davon, was uns die Priester sagen. Du weißt doch, dass ich meinen Glauben schon lange abgelegt habe. Ich will von dir wissen, ob du glaubst, dass es möglich ist, wieder eine reine Seele zu bekommen.“
Nach ausgiebigem Räuspern, das Vinson für sich nutzte, um seine Gedanken zu ordnen, erwiderte er behutsam: „Ich glaube, dass ein Mann einst an den Taten und dem Verhalten während seiner gesamten Lebensdauer gemessen wird und nicht nur an den guten und weniger guten Dingen, die er in seiner Jugend vollbracht hat. Wenn ein Mann nur in einer einzigen Angelegenheit wirklich und wahrhaftig selbstlos und uneigennützig gehandelt hat, löscht das nach meiner Überzeugung ein Vielfaches davon an Sünden aus.“
„Ein Vielfaches an Sünden“, wiederholte Keane nachdenklich. „Aber manchmal kann es doch geschehen, dass der edelste Grund für eine vollkommen selbstlose Tat nicht verhindern kann, dass Unschuldigen ein Leid zugefügt wird.“
„Das mag wohl so sein, Mylord“, gab Vinson zurück. „Aber das hält einen guten Mann nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen. Er allein wird auf dem Grunde seines Herzens wissen, ob er selbstlos oder vielleicht doch
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