155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
Lord Alcott, den sie erstmals mit eigenen Augen gesehen hatte. Und natürlich von seiner liebreizenden Begleitung, die offenbar sein Herz erobert hatte. Und beide Herrschaften hatten ihr Komplimente wegen ihrer Teigwaren gemacht.
„Na, bist du müde?“ Keane ließ das Gespann leicht traben, als die Kutsche zurück gen Carrick House rollte.
„Ja, ein bisschen. Aber es ist eine angenehme Müdigkeit.“ Briana sah ihm direkt ins Gesicht. „Danke für diesen Tag, Keane. Ich habe so viel Freude erlebt und mich wunderbar amüsiert.“
„Mir ergeht es ganz ähnlich, Briana.“
Sie hob ihm das Gesicht entgegen und verursachte ihm mit ihrem bezaubernden Lächeln ein leichtes Schwindelgefühl. „Wirklich?“, hakte sie nach.
„Ganz ehrlich. Ich habe heute mehr Leute kennengelernt als in der ganzen Woche, die ich auf meinen Ländereien unterwegs war. Und das alles nur deinetwegen. Du hast ein seltenes und außergewöhnliches Talent, dass sich nämlich die Menschen zu dir hingezogen fühlen. Du bist ein ganz ungewöhnlicher kostbarer Schatz.“
Briana lachte vergnügt. „Also, wenn ich ein Schatz sein soll, dann ist er aber ein gut verborgener. Die Mutter Oberin nannte mich das Kreuz, das der Herr ihr auferlegt habe. Und sie meinte immer, wenn es ihr gelingen würde, mich zum Schweigen zu bringen, wäre ihr damit ein Ehrenplatz im Himmel sicher.“
„Mir scheint, die gute Nonne hat noch nicht verstanden, dass es Dinge im Leben gibt, die einfach nicht zum Schweigen gebracht werden dürfen.“
„Wenn sie das hören könnte, würde sie dich sofort der Ketzerei beschuldigen.“
„Ja, aber wie will sie denn dann das Singen eines Vogels oder das Lachen von Kindern erklären?“
Briana war überrascht, mit welcher Vehemenz Keane seine ungewöhnlichen Gedanken aussprach. Sie hätte nicht geglaubt, dass er zu derart tiefsinnigen Betrachtungen in der Lage war.
Sie wurde sehr still, eine für sie eher ungewöhnliche Verhaltensweise, und grübelte über die seltsamen, unbekannten Gefühle nach, die in ihr aufkamen. Es waren Empfindungen, die sie als gleichermaßen freudig erregt und unbehaglich hätte beschreiben können.
„So, da sind wir wieder.“ Keane lenkte das Gefährt soeben in die Hofeinfahrt von Carrick House. Gleich darauf hielt er an, und im nächsten Moment eilte bereits Monroe herbei.
„Willkommen daheim, Mylord, Mylady.“ Der Stallmeister übernahm sofort die Zügel des Gespannes.
„Danke, Monroe.“ Keane sprang ab und streckte dann die Hände nach Briana aus, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Doch statt sie auf die Füße zu stellen, hob er sie auf die Arme und trug sie durch die offene Eingangstür, in der Vinson bereits auf sie wartete.
„Keane, ich bin nicht zu müde zum Laufen“, protestierte Briana, allerdings nur halbherzig.
„Ich weiß.“ Keane nickte seinem Butler zur Begrüßung zu, und dann auch Mistress Malloy, die breitbeinig in der Halle stand, über das ganze runde Gesicht strahlte und sich die Hände an ihrer Schürze abwischte.
Während er die Treppe hinaufging, presste Keane die Lippen auf Brianas Schläfe und flüsterte ihr ins Ohr: „Aber deine angebliche Müdigkeit war die einzige glaubhafte Ausrede, die mir einfiel, um dich in die Arme nehmen zu können.“
Briana lächelte glücklich und legte ihm die Arme um den Hals. „Das hättest du leichter haben können, indem du mich einfach nur darum gebeten hättest.“
Er trug sie bis in ihr Gemach. Enttäuscht bemerkte er Cora, die dort bereits auf Briana wartete. „Mylord, Mylady, willkommen zu Hause. Ich habe mir erlaubt, ein weiteres Gewand für Miss Briana umzuarbeiten. Wenn es Eure Zustimmung findet, Mylady, wollt Ihr es vielleicht heute zum Abendmahl tragen.“
„Die junge Dame wird ihr Abendessen im Bett einnehmen, Cora“, beschied Keane dem Mädchen kurz und entschlossen. „Sie braucht heute nur noch ein Nachtgewand.“
Briana verzog die Lippen zu einem entzückenden Schmollmund. „So müde bin ich doch nun wirklich nicht, Keane.“
„Du willst wieder mal tapfer und stark sein. Aber ich weiß, dass es ein sehr langer Tag für dich gewesen ist, Briana. Wenn man zudem bedenkt, dass du noch vor Kurzem dem Tode näher warst als dem Leben, halte ich etwas Schonung durchaus für angebracht.“
Er setzte sie behutsam auf dem Bett ab und trat dann zur Seite, damit Cora ihres Amtes walten konnte.
Auf dem Weg zu seinen eigenen Räumlichkeiten bemerkte Keane, dass er vergnügt vor sich hin lächelte.
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