155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
wollte Briana von dem Vater der Kinderschar wissen.
„Ja.“ Der Mann nickte. „Ich beackere das nördliche Feld, so wie es auch mein Vater schon vor mir getan hat.“
„Das Nordfeld?“ Keane durchforstete sein Gedächtnis auf der Suche danach, an was ihn die Worte erinnerten. „Hieß dein Vater Colin McCann?“
„Ja, ich bin Hugh McCann.“
„Dein Vater war einmal sehr gut zu mir und rettete mir wahrscheinlich das Leben. Ich war bestimmt nicht älter als sechs Jahre. Bei einem Ausritt stürzte ich vom Pferd. Wenn ich mich recht erinnere, brachte mich dein Vater in sein Haus, und deine Mutter flößte mir kräftige Brühe ein. In der Zwischenzeit wurde jemand nach Carrick House geschickt, damit man mich in einer Kutsche abholen konnte. Ich denke mit großer Dankbarkeit und Wärme an deine Familie zurück.“
Briana beobachtete, wie Hughs Frau ihren Mann stolz anschaute und eine Hand in die seine schob.
An dem Grüngürtel, der sich um das Dorf Carrick zog, hielt Keane an und ließ die Familie McCann aussteigen. Die Mutter streckte die Hände nach ihrem Baby aus, das Briana ihr mit einem winzigen Anflug von Neid herunterreichte.
Hugh nahm seine Mütze ab und sagte zu Keane: „Habt Dank, Mylord, für Eure große Freundlichkeit. Sie wird mir unvergessen bleiben.“
„Gern geschehen, Hugh“, erwiderte Keane und neigte sich zu Briana hin, die ihm etwas ins Ohr flüsterte. Daraufhin griff er, ohne zu zögern, in eine Tasche seines Umhangs.
„Lord Alcott hat für jedes von Euch Kindern etwas“, verkündete Briana und sah glücklich zu, wie Keane jedem Kind eine Münze in die Hand drückte. „Das ist für den Stand mit den Backwaren“, fügte sie noch hinzu. „Denn das war immer mein Lieblingsplatz auf dem Markt.“
Die Kinder stießen schrille Begeisterungsschreie aus, bis ihre Eltern sie zur Ruhe riefen und sie an ihre Manieren erinnerten. Überschwänglich bedankten sich die sechs, knicksten und verbeugten sich, als ob sie vor Mitgliedern der königlichen Familie stünden. Schließlich rannten sie in einem Zustand der Verzauberung davon. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnten sie sich heute auf dem Markt kaufen, was auch immer ihr Herz begehrte.
Die McCanns waren schon eine Weile verschwunden, als Keane Briana ins Gesicht schaute und fragte: „Würdest du es ihnen gern gleichtun? Möchtest du auch auf den Markt gehen?“
Sie klatschte begeistert in die Hände. „Wäre das tatsächlich möglich?“
„Ja, aber nicht so sehr lange, damit du hinterher nicht wieder vollkommen erschöpft bist.“
Er stieg von der Kutsche herunter, sicherte die Zügel des Gespannes und half Briana dann beim Aussteigen.
Kurze Zeit später schlenderten sie zwischen den farbenfrohen Ständen herum, blieben mal hier stehen, bewunderten dort eine Handarbeit. Es wurde praktisch alles angeboten, was man sich nur vorstellen konnte, von kostbaren Spitzen bis zu Schweineschwänzen.
Brianas Schwäche schien sich in Luft aufzulösen. Hier, unter Menschen, wie sie sie auf Ballinarin gekannt hatte, fühlte sie sich vollkommen sicher und entspannt.
Jetzt blieb sie an einem bescheiden anmutenden Stand stehen. „Sieh mal, Keane.“ Er folgte ihrem Blick und sah eine verhärmt und erschöpft wirkende Frau, die neben einem schätzungsweise zehn, höchstens zwölf Jahre alten Jungen stand. Der wiederum saß auf einem einfachen harten Holzstuhl mit hoher Rückenlehne. Auf den Knien balancierte er ein einfaches Tablett, auf dem er eine Mischung unterschiedlicher Knöpfe feilbot.
Einige der Knöpfe waren aus Holz geschnitzt, andere aus bunten Steinen gefertigt, und manche waren aus Lederstückchen hergestellt.
Briana hielt einen Perlmuttknopf hoch. „Wie schön ist er“, bemerkte sie zu Keane. „Sieh nur, wie sich das Sonnenlicht darin bricht und ihn in allen Farben des Regenbogens schillern lässt.“
Keane aber hatte nur Augen für Briana. Er konnte sich nicht sattsehen an dem Ausdruck schierer Lebensfreude in ihrem Gesicht.
„Hast du diese Knöpfe alle selbst gemacht?“, fragte sie den Jungen.
„Ja, Mylady.“
„Damit hat er etwas zu tun und kann die vielen Stunden eines Tages füllen“, fügte die Frau an seiner Seite hinzu. „Leider kann mein Paddy nicht mit den anderen Kindern toben und spielen.“
„Warum nicht?“, wollte Briana von ihm wissen.
„Ich kann nicht gehen, Mylady.“
Jetzt erst bemerkte sie, dass Paddys Beine unter dem Tablett dünn und kraftlos waren. Sie wurden nur unzureichend von einer
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