155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
sollte?“
„Nein.“ Keane hasste sich für die Not und den Schmerz und die Verwirrung, die sich in Brianas Zügen abzeichneten. Aber es gab für ihn keine Möglichkeit, ihr Erklärungen zu liefern. „Ich entscheide in diesem Fall, denn ich habe geschworen, dass ich dich unversehrt deinem Vater zurückgeben werde. Und ich werde diesen Schwur halten, das verspreche ich dir.“
„Und meine Gefühle bedeuten dir gar nichts?“
„Deine Gefühle …“ Er hob eine Hand, als wolle er Briana berühren, unterließ es dann aber doch. Stattdessen ließ er die Hand sinken und ballte sie hinter dem Rücken zur Faust. „Deine Gefühle sind verständlicherweise sehr durcheinander, Briana. Aber eines Tages wirst du die Dinge klarer sehen und dann dankbar sein, dass du auf den Mann gewartet hast, der deiner auch wert ist. Du bist eine ganz besondere Frau, Briana O’Neil. Der Mann, der irgendwann dein Herz gewinnt, wird der glücklichste Mann in ganz Irland sein.“
Er konnte den zutiefst verletzten Ausdruck in ihren Augen nicht länger ertragen und wandte daher den Blick von ihr ab. „Geh jetzt zu Bett, Briana. Ich werde das Gleiche tun.“
Briana blieb vollkommen reglos stehen, als sich Keane ohne ein weiteres Wort zur Tür wandte und im nächsten Moment den Raum verlassen hatte. In einer Art Schockzustand lauschte sie auf das Geräusch seiner Schritte draußen auf dem langen Flur, das immer leiser wurde und sich schließlich verlor.
Dann schlang sie die Arme um ihren zitternden Körper und horchte auf die Stille von Carrick House, die sich wie ein Mantel um sie schloss.
15. KAPITEL
Keane rannte wie ein gefangenes Raubtier in seinem Gemach hin und her. Er verfluchte und beschimpfte sich ohne Unterlass, hatte sich sein Hemd vom Leibe gerissen und wutentbrannt in eine Ecke geworfen. Es hatte ihm auch keine Erleichterung oder Genugtuung verschafft, als er seine Stiefel von sich geworfen und gegen die Wand geknallt hatte. Er hatte einen ganzen Krug voller Ale auf einen Zug geleert, doch all das hatte ihm lediglich einen bitteren Geschmack auf der Zunge verursacht.
Genauso wie diese schreckliche Nacht!
Er stürmte hinaus auf den Balkon und starrte in die Dunkelheit. Doch er sah nur Brianas Augen vor sich, den unendlich verletzten Blick darin. Das bezaubernde Wesen war durchsichtig wie Glas gewesen. All ihre Gefühle hatte sie vor ihm ausgebreitet. Die Selbstzweifel, die sie plagten. Die Verwirrung. Und dann der Schmerz, von ihm zurückgewiesen worden zu sein.
Das war für Keane am schlimmsten gewesen. Er hasste sich dafür, ihr so wehgetan zu haben. Aber nur so, auf diese grausame Weise, konnte er Briana vor sich selbst und vor ihm schützen. Es wäre so einfach gewesen, einfach das Geschenk ihrer Liebe anzunehmen. Tatsächlich war es für ihn eine riesige Kraftanstrengung gewesen, dieses Geschenk zurückzuweisen.
Aber er wusste, dass sie ihn hinterher gehasst und für den Rest ihres Lebens bitterlich bereut hätte, sich ausgerechnet ihm hingegeben zu haben.
Ausgerechnet einem Mann wie Keane O’Mara!
Ja, so war es am besten. Ein schmerzhafter, aber dafür sauberer Schnitt, der keine sichtbaren Narben hinterlassen würde. Es war vergleichbar mit der Amputation eines Armes, die nötig war, um ein Leben zu retten.
Doch es gab auch den Vergleich mit dem herausgeschnittenen Herzen.
Keane spürte, wie ihn eine Woge grenzenloser Trauer zu überschwemmen drohte. Er hatte schon so viel überlebt und ertragen. Er würde das hier auch überleben. Aber der heutige Verlust würde sein ganzes weiteres Leben überschatten und mit einem nie mehr endenden Schmerz erfüllen.
Er atmete mehrmals tief durch und gestattete sich, ausnahmsweise einmal die Schultern ein wenig hängen zu lassen. Doch gleich darauf richtete er sich schon wieder auf und ging in aufrechter, kontrollierter Haltung zu dem kleinen Tisch neben seinem Bett. Dort schenkte er sich erneut ein Glas Ale ein.
Briana saß, am ganzen Leibe zitternd, auf ihrem Balkon und starrte blicklos in die Ferne. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie hier schon saß, den Kopf auf die Arme gelegt, die auf der Balkonbrüstung ruhten. Vielleicht waren es schon Stunden oder erst Minuten. Sie hatte jeden Zeitbegriff verloren.
Sie hatte nicht geweint, denn der Schmerz saß zu tief für Tränen. Sie hatte immer geglaubt, dass die Verbannung durch ihren Vater das schlimmste Ereignis in ihrem jungen Leben gewesen sei. Doch nun erschien es ihr, als sei der damalige Schmerz nichts
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