155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
Ausdruck in den Augen ihrer jungen Herrin, als sie Briana betrachtete. Sie blies die Kerzen aus und huschte aus dem Zimmer.
Minuten später begegnete sie Keane, der sie in dem langen Flur, der zur Eingangshalle führte, anhielt. „Wie geht es ihr, Cora?“, erkundigte er sich. „Schläft sie?“
„Nein, Mylord.“ Cora knickste. „Sie scheint sehr aufgewühlt und erregt zu sein. Aber sie hat mich gebeten, sie allein zu lassen. Wünscht Ihr, dass ich zurückgehe und mich an ihr Bett setze?“
Nach kurzer Überlegung schüttelte Keane den Kopf. „Nein, lass nur, Cora. Geh zu Bett. Ich werde mich selbst um Miss Briana kümmern.“
Keane klopfte an Brianas Tür und trat, ohne auf eine Antwort zu warten, einfach ein. Im Raum war es dunkel, doch nachdem sich seine Augen daran gewöhnt hatten konnte er im Schein des Kaminfeuers sehen, dass Briana am Fenster stand.
„Mädchen, du solltest eigentlich im Bett sein.“
Langsam drehte sie sich zu ihm um und schaute ihn lange unverwandt an. Dann sagte sie mit einer Stimme, die kaum mehr war als ein Flüstern: „Warum nennst du mich ‚Mädchen‘?“
„Es passt zu dir.“
„Nein, es passt dir lediglich gut in deine Vorstellung von mir, mich so zu nennen“, widersprach Briana. „Damit wird nämlich ausgedrückt, dass ich noch ein kleines Mädchen bin, weit entfernt davon, eine Frau zu sein. Stimmt’s?“
„So also siehst du dich selber?“
„Ja.“
Keane blieb stehen, wo er war. Es schien ihm angebracht, jetzt nicht näher zu treten. „Du bist in einer seltsamen Stimmung heute Abend.“
Briana umschlang sich selbst mit den Armen. „Ja, und ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass ich über den Überfall durch die englischen Soldaten gesprochen habe. Und auch über Halsey.“ Sie zitterte schon wieder. „Und wieder über die mutigen Jungen zu sprechen, die geschickt worden waren, mich nach Hause zu holen.“
„Du hast es schon selbst gesagt: Sie starben tapfer und edel.“
„Ja, aber sie sind tot, und ich lebe.“
„Macht dir das so großen Kummer, dass du als Einzige überlebt hast?“
Briana schüttelte ein wenig ungeduldig den Kopf. „Nein, du verstehst nicht, was ich meine. Sie starben ohne die geringste Chance, überhaupt erst mal richtig zu leben. Aber ich lebe, doch ich weiß nicht, wofür. Insofern bin ich auch nicht besser dran als sie. Was habe schon aus meinem Leben gemacht? Ich habe weder einen Ehemann, der mich so ansieht wie Hugh McCann seine Bridget, noch habe ich Kinder, die an meinen Röcken hängen und mit unerschütterlichem Vertrauen zu mir aufsehen.“
„Aber das alles wirst du noch bekommen.“ Schon während er dies sagte, spürte Keane einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er es aushalten könnte, wenn ein Mann Briana voller Liebe ansah. Oder noch schlimmer: Anhören zu müssen, dass sie das Kind eines anderen zur Welt gebracht hätte.
„Woher willst du denn wissen, was die Zukunft für mich bereithält?“ Briana trat einen Schritt näher zu ihm heran und sah, dass ein wachsamer Ausdruck in seine Augen trat. „Woher willst du wissen, dass ich nicht schon morgen wieder auf Halsey mit seinem Schwert treffe? Und dann wären all meine Pläne und Träume nichts mehr wert.“
Keane streckte eine Hand nach ihr aus und zog sie mit einem Ruck noch näher heran. „Sag solche Dinge nicht, Briana.“
„Warum nicht? Weißt du eigentlich, Keane, dass ich noch niemals meine Träume mit einem anderen Menschen geteilt habe?“
Er hatte nicht die Absicht gehabt, sie anzufassen. Doch nun schien er sie nicht mehr loslassen zu können. Er zog sie an sich, strich ihr mit den Händen über die Schultern und Arme. Vergeblich versuchte er, ihr Zittern zu vertreiben und sie mit seinen Berührungen zu wärmen. „Du wirst sie eines Tages mit jemandem teilen“, erklärte er rau, „der es verdient hat, dass du sie mit ihm teilst.“
Ihre Augen schienen vor innerer Wärme zu strahlen, als sie ihn jetzt anblickte und flüsterte: „Ich will sie mit dir teilen, Keane.“
Er hatte das Gefühl, als ob jegliches Blut aus seinem Kopf weichen würde. „Sei vernünftig, Briana. Jeder Tag hier auf Carrick könnte dein letzter sein, denn du wirst dich in Kürze auf den Weg nach Ballinarin machen. Ich bin mir ganz sicher, dass es dort jede Menge Männer gibt, die nichts lieber tun würden, als deine Träume mit dir zu teilen.“
„Ich will aber nicht jede Menge Männer haben in Ballinarin.“
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