1551 - Das Vampirhaus
Monster habe ich damit schon geschafft. Jetzt hole ich mir den zweiten.«
Er war noch zu wacklig auf den Beinen, um allein stehen zu können.
Deshalb blieb er sitzen. Laura kniete sich hinter ihn. Sie drückte ihre Hände gegen seinen Rücken, um ihm den nötigen Halt zu geben.
»Das ist gut«, murmelte Harry.
»Danke.«
Sie sprachen nicht mehr. Harry Stahl musste sich wahnsinnig zusammenreißen, um nicht zu schwanken.
Der Flugvampir mit dem Beil im Nacken taumelte über die Straße. Er hatte die Orientierung verloren, aber noch war er nicht vernichtet.
»Ich kriege dich!«, flüsterte Harry. »Ich schicke dich endgültig zur Hölle.«
Er wartete nur darauf, einen sicheren Treffer landen zu können.
Wieder drehte sich das Monster um.
Es schaute Harry jetzt an.
Und der schoss.
Und plötzlich war alles klar.
Die Kugel jagte in den Hals des Bluttrinkers. Ein Zucken des Körpers, eine Drehung, dann der Fall auf den Rücken, wobei er sich beim Aufprall die Schneide des Beils noch tiefer in den Körper trieb.
Harrys Arme sanken nach unten. Er ließ die Pistole los, als wäre sie ihm zu schwer geworden. Dann kippte er langsam zur Seite. Die letzte Aktion war doch zu anstrengend für ihn gewesen.
Trotzdem flüsterte er noch: »Ich glaube, das ist es gewesen…«
***
Richard Huber und ich sahen die Menschentraube, die sich vor dem Haus der Laura Kendic versammelt hatte, und in mir stieg ein ungutes Gefühl hoch.
Durch meinen Treppensturz spürte ich inzwischen sämtliche Knochen im Leib, von denen ich zuvor gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab.
Aber wir hatten uns gegenseitig Mut gemacht und das Glatteis und den Weg über die Steigeisen geschafft.
Zum Glück hatten Harry und Laura den alten Fiat unter dem Übergang zurückgelassen, und auch der Schlüssel hatte im Zündschloss gesteckt, sodass wir den Berg hinabfahren konnten und nicht die ganze Strecke zu Fuß gehen mussten.
Und jetzt sollte doch noch alles böse geendet haben?
Ich wünschte es mir nicht.
Als ich den Fiat abgebremst, den Motor ausgestellt und gleichzeitig mit Richard Huber den Fiat verlassen hatte, hörte ich Harrys Worte, die von Laura Kendic übersetzt wurden.
»Geht wieder in eure Häuser. Es ist vorbei. Ihr müsst keine Angst mehr haben.«
Meine Stimmung stieg wieder.
»Aber wo ist mein Mann?«
Richard Huber grinste, denn er hatte die Stimme seiner Frau erkannt.
»Ich bin hier!«, rief er laut.
Plötzlich spielte die Musik woanders. Alle Leute drehten sich um. Dabei löste sich der dichte Menschenpulk etwas auf, sodass ich freie Sicht hatte.
Ich sah eine dunkle Masse auf dem Boden liegen und wusste sofort, dass es einer der Flugvampire war. Das helle Schimmern der blanken Knochen kündete davon, dass Harry Stahl ihn zur Hölle geschickt hatte.
Harry stand bei Laura Kendic und musste von ihr gestützt werden.
»John Sinclair!«, schrie sie mir entgegen, und Maria Huber rief den Vornamen ihres Mannes.
»Ich bin kein Geist«, sagte ich.
»Und?«, fragte Harry heiser.
»Alles erledigt. Wer Lust hat, der kann jetzt sogar in das Vampirhaus einziehen.«
Über den Scherz konnte niemand lachen.
Ich war nur froh, dass wir alle überlebt hatten, denn es hätte schlimmer kommen können…
ENDE
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