1557 - Die Blutbraut aus Atlantis
sollte.
Sein Blick klebte noch immer an dieser nackten Gestalt. Er spürte, dass ihm die Kehle eng wurde. Das Atmen fiel ihm schwer. Nach wie vor lag der Schweiß auf seinem Gesicht. Dass er nicht anfing zu zittern war schon ein kleines Wunder.
Offene Augen!
Auch das irritierte ihn. Erst jetzt nahm er diese Tatsache bewusst wahr, und er konzentrierte sich darauf.
Dunkle Pupillen, die zwar eine gewisse Starre zeigten, aber nicht wie bei einer Toten. Wenn er einen Vergleich anstellte, dann dachte er mehr an eine Frau, die mit offenen Augen vor sich hinträumte und irgendwann erwachen würde.
»Nein!«, flüsterte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Das glaube ich einfach nicht. Das ist alles zu verrückt. Ich bilde mir das nur ein und…«
Seine Gedanken und auch seine Stimme brachen ab, weil er sah, dass die Gestalt vor ihm zu zucken begann.
Der Schrei blieb in seiner Kehle stecken, aber die Tatsache, dass sich die Frau bewegt hatte, blieb bestehen. Es war kein Irrtum. Er hatte sich nicht getäuscht. Sie hatte sich bewegt und zwar in Höhe der Schultern.
Noch hatte sich ihr Blick nicht verändert, und das blieb auch so. Allerdings nicht beim halb geschlossenen Mund, der begann sich zuckend zu öffnen.
Zwei Zähne erschienen unterhalb der Oberlippe, länger als normal und vorn spitz zulaufend.
Es war ein Bild, das etwas in dem Betrachter auslöste und ihn kalt und starr vor Grauen werden ließ.
Vor ihm lag keine Tote, aber auch keine Lebende.
Vor ihm lag etwas, das man als Zwischending beschreiben musste.
Den Namen dafür kannte Kosta Gavos auch.
Die Frau war ein Vampir!
***
In Kosta Gavos kroch das Grauen hoch. Dieses Bild war einfach nicht zu begreifen, und doch war es nicht trügerisch, sondern eine Tatsache.
Es hatte sich auch nicht viel verändert von der ersten Entdeckung bis jetzt. Und dennoch empfand Kosta diesen Anblick als besonders grauenvoll.
Er kannte Vampire, er hatte Geschichten über sie gelesen und er hatte sie auch in Filmen erlebt.
Doch das hier war kein Buch und auch kein Film.
Er sah die beiden spitzen Zähne aus dem Oberkiefer ragen.
Er glaubte auch nicht an einen Scherz. Vampire lebten auf ihre Art. Sie waren nicht tot, aber sie lebten nicht wie normale Menschen. Sie existierten nur, sie waren da und in diesem Fall waren sie echt.
Kosta hatte die Bewegung des Mundes nicht vergessen. Das gab es nicht bei einer Person, die schon gestorben war. So etwas war nicht normal. Hier hatte eine Macht zugeschlagen, der ein Mensch wie Kosta hilflos und ängstlich gegenüber stand.
Er wunderte sich darüber, was ihm in dieser kurzen Zeit alles durch den Kopf schoss. Sogar Vorwürfe gegen sich selbst waren dabei. Er hatte einen Fehler begangen, als er diesen Sarg geöffnet hatte. Er trug also indirekt die Schuld am Erwachen dieser verfluchten Unperson.
Wie lange er regungslos neben dem Steinsarg gestanden hatte, wusste er nicht.
Auch die Gestalt im Steinsarg ließ sich Zeit, aber sie hielt die Augen weit offen und schaute den Menschen, in dessen Adern Blut floss, intensiv an.
Blut!
Der Gedanke an seinen Lebenssaft erschreckte Kosta plötzlich. Er spürte in seinem Kopf die Hitzewelle, denn bei diesem Gedanken wurde ihm erst richtig klar, was er hier erlebte. Er befand sich in großer Lebensgefahr und damit auch auf den Weg, selbst zu einem Blutsauger zu werden.
Dass er flüchten musste, war ihm ebenfalls klar. Er war nur nicht in der Lage, sich zu bewegen. Er stand auf der Stelle und fühlte sich wie angenagelt. In seinem Kopf rasten zwar die Gedanken, doch er fand einfach keinen Ausweg.
Plötzlich bewegte sich die Person!
Es begann wieder mit einem Zucken. Nur blieb diese Bewegung nicht nur auf den Mund beschränkt oder den Kopf. Sie durchlief den gesamten Körper und endete damit, dass sich die Frau aufrichtete.
Es geschah abrupt. Als hätte der Oberkörper einen heftigen Stoß erhalten. Zugleich drang ein Zischen aus dem offenen Mund, als wäre eine Schlange erwacht.
Kosta Gavos wusste, dass er zu nahe am Sarg stand. Mit einem Griff würde ihn die Gestalt erreichen können. Deshalb warf er sich zurück, als die Hand plötzlich über den Sargrand hinweg zuckte, um nach dem jungen Mann zu greifen.
Kosta wich aus. Er sah noch die Finger mit der grauen Haut auf sich zukommen, und er sah auch für einen Moment die spitzen Nägel, die ihn beinahe erwischt hätten. Sie berührten noch seine Kleidung und er hörte das kratzende Geräusch.
Der
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