1559 - Kleine böse Nathalie
interessierte sie nicht. Es ging ihr nur um den Vater.
Ich dachte da anders. Nathalie bekam den Schädel nicht mehr hoch, weil ich schneller war. Ich steckte mein Kreuz zwischen ihre Finger in die rechte Augenhöhle und war auch bereit, die Formel zu sprechen, als ich sah, dass es nicht mehr nötig war.
Licht kämpfte gegen Licht.
Nur war das meines Kreuzes heller, strahlender und zudem wirkungsvoller.
Nathalie hätte den Totenkopf eigentlich loslassen müssen, doch wie unter Zwang hielt sie ihn fest.
Es war ihr Verderben.
Die Kraft meines Kreuzes war stärker.
Hier war nicht Luzifer als das absolut Böse der direkte Gegner, sondern nur seine Aura. Deshalb auch das blaue Licht, denn ich kannte es aus eigener Anschauung, als ich das absolut Böse gesehen und mich dabei so schlecht wie noch nie gefühlt hatte.
Nathalie hielt den Schädel ihres Vaters fest und torkelte durch den Keller. Sie hatte keine helle Haut mehr. Das blaue Licht umgab ihren Körper, und auch das Kreuz half ihr nicht. Es hatte die Kraft aus dem Schädel getrieben, und die steckte jetzt in der jungen Frau.
Ich schaute zu und wusste nun, wie Eric Garner gestorben war.
Das Licht floss in Nathalies Körper hinein, und ein wahnsinniger Schrei gellte durch den Keller.
»Dadddyyyy…!«
Furchtbar anzuhören, und es war auch furchtbar anzusehen, wie die Kindfrau zusammenbrach und verkrümmt auf dem Boden liegen blieb. Der Schädel war dabei mit aufgeschlagen und in zahlreiche Stücke zersprungen.
Kein Schrei mehr.
Es gab nur noch die Stille, die schließlich von Bills Stöhnen unterbrochen wurde.
Der Reporter zog sich am Rand des jetzt leeren Tischs in die Höhe. Er stützte sich ab, um sich auf den Beinen halten zu können.
Ich ging zu Nathalie.
Sie zeigte in der Tat die gleichen Symptome wie Eric Garner in seinem Wohnmobil.
Ich konnte nicht mehr für sie tun, als ihr die Augen zu schließen…
***
»Ist sie tot?«
Bills Stimme war mehr ein Krächzen.
Ich verstand ihn trotzdem, erhob mich und drehte mich um.
Über den Tisch hinweg schauten wir uns an.
»Ja«, sagte ich und nickte. »Nathalie lebt nicht mehr. Sie hat bezahlen müssen, weil sie nicht eingesehen hat, dass der Weg ins Leben nicht der in die Hölle ist.«
»Stimmt«, flüsterte Bill, »aber mach das mal den Menschen klar. Die meisten sind vernünftig und halten sich an die Regeln, aber einige werden immer ausbrechen.«
»So wie du, nicht?«
»Bitte? Wie kommst du darauf?«
»Hatten wir nicht vereinbart, dass du vor dem Haus auf mich wartest?«
Bill winkte ab.
»Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Trotzdem, John - danke…«
ENDE
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