157 - Der Tod von Baikonur
Towarischtsch Hunter. Trotzdem ist mir unklar, was ein Werwolf dort will. Deshalb habe ich Sie auch um Hilfe gebeten. Sie kennen die Zusammenhänge vielleicht eher."
„Und ob", sagte Dorian. „Der Halleysche Komet sorgt für teilweise chaotische Zustände im Dämonenreich. Vielleicht haben Sie von ungewöhnlichen Vorfällen erfahren, Kiwibin. Der Komet ruft zeitweise und örtlich begrenzt magielose Zustände hervor. Dämonen verlieren ihre Kraft, werden verwirrt oder sind gezwungen, sich in ihrer wirklichen Gestalt zu zeigen - und das in aller Öffentlichkeit. Das war vor sechsundsiebzig Jahren so, und das wird in weiteren sechsundsiebzig Jahren so sein. Ich kann mir vorstellen, daß die Dämonen die Chance nutzen wollen, irgend etwas mit dem Kometen anzustellen, um die von ihm für sie ausgehende Gefahr zu beseitigen oder zumindest abzuschwächen."
„Hm", machte Kiwibin. „Aber Werwölfe sind doch keine Kosmonauten."
„Vielleicht manipulieren sie die Rakete irgendwie", sagte Dorian. „Vielleicht machen sie sie zu einer Superbombe, die in Kometennähe explodiert. Wie haben die Burschen überhaupt herausgefunden, daß eine russische Expedition geplant ist? Das steht doch nicht in der Zeitung."
Kiwibin nickte.
„Der telepathische Wolf. Sie haben vielleicht etwas erwartet und jetzt festgestellt, daß sie recht haben. Nun sind sie in Baikonur eingedrungen."
Dorian pfiff leise.
„Woher wissen Sie das, Mister Kiwibin?" fragte Flindt.
„Jemand wurde ermordet. Wolfswunden. Seien sie unbesorgt, er steht nicht wieder als Untoter auf. Leider konnte er auch nichts mehr verraten."
„Ihr Telepath, nicht wahr?" schoß Dorian ins Blaue.
Kiwibin hob die Brauen. Er nickte.
„Sie werden über alles, was ich Ihnen erzählte und noch erzählen werde, und über alles, was sie in Baikonur sehen, strengstes Stillschweigen bewahren", sagte Kiwibin. Es war keine Drohung, nur eine Feststellung.
„Wie kommen Sie überhaupt darauf, daß es mehrere Wölfe sind?" fragte Dorian.
„Ich bin sicher", sagte Kiwibin. „Einer allein hätte kaum eine Chance. Sie müssen zu mehreren sein, denn sie können nicht sicher sein, daß einer an das Raumschiff herankommt. Sie wären dumm."
„Ein Dämon kann sehr viel bewirken", sagte Dorian.
„Aber nicht, wenn man von ihm weiß. Und sie wissen von mir. Deshalb sind sie vorsichtig. Es wird nicht einfach sein."
„Sie hätten uns unsere Ausrüstung mitnehmen lassen sollen", warf Dorian ihm vor.
„Gemmen, Dämonenbanner, Weihwasser und Silberkugeln bekommen Sie von mir", sagte Kiwibin. „Ich glaube nicht, daß wir mehr brauchen."
„Der hat Nerven", murmelte der hochgewachsene blonde Däne. Er schloß die Augen. Dorian ahnte, woran Abi Flindt dachte. An Nelja Gudunowa, die hübsche Russin, die er während ihrer Kämpfe gegen die Janusköpfe kennengelernt hatte. Wahrscheinlich war Nelja tot.
Irgendwie war Flindt ein Unglücksbringer für Frauen.
Seine eigene Frau war vor Jahren noch in den Flitterwochen von einem Dämon getötet worden. Seitdem war Flindt relativ wortkarg und verschlossen; selten sagte er mehr als nötig. Zur Zeit schien er wieder eine etwas redseligere Phase zu haben. Aber seit dem Tod seiner Frau war er ein gnadenloser Dämonenhasser geworden.
Dann Nelj a… man hatte sie in dem T al in Kaschmir nicht mehr gefunden. Kiwibin hatte damals gesagt, es sei vielleicht besser, wenn sie tot sei. Der Januskopf Vozu hatte sie zu einem Monster gemacht, für das es wahrscheinlich keine Rettung gegeben hätte. Aber konnte das ein Trost für Flindt sein? Er hatte Nelja sehr gemocht.
Dann Annica, das Mädchen in Rom… es war erst wenige Wochen her. Sie hatten Angelina, die Teufelin, gejagt. Annica, deren Dauerverlobter getötet worden war, hatte Angelina Rache geschworen. Durch Zufall war sie auf Abi Flindt gestoßen.
Und jetzt war sie tot. War in Angelinas Falle in den Ruinen unter den Cäsarenpalästen gelaufen.
Und wenig später Carina, die Hexe… auch sie war Flindt sehr sympathisch gewesen. Er hatte sogar alles versucht, sie von der Dämonenkiller-Crew fernzuhalten. Und doch war ihre Leiche gefunden worden.
Abi Flindt, der Unglücksbringer.
Und jetzt dachte er wieder an Nelja.
Dorian glaubte, daß Flindt immer noch hoffte, Nelja sei am Leben Er klammerte sich an den winzigen Hoffnungsfunken, der darin bestand, daß niemand sie gefunden hatte.
Vielleicht, dachte Dorian, war es gar nicht gut, daß auf diese Weise alte Wunden wieder aufgerissen wurden. Es mochte
Weitere Kostenlose Bücher