157 - Der Tod von Baikonur
daß ständig über meinen Kopf hinweg entschieden wird." Er drückte auf die Taste eines Sprechgeräts. „Igor, zwei Sonderausweise Klasse A. Sofort. Ich unterschreibe. Lassen Sie sich von den beiden Herren ihre Namen und persönlichen Daten geben." Er schaltete wieder ab und streckte die Hand aus. „Bitte… "
„Ach, das werde ich schon machen", sagte Kiwibin und ging zur Tür ins nebenan liegende Schreibzimmer. „Beschnuppern Sie sich ruhig noch etwas."
Das „Beschnuppern" hatte er seltsam betont, fand Dorian.
Der General zeigte kein sonderliches Interesse an einer Unterhaltung. Er spielte Auster und schwieg sich aus, bis Kiwibin mit zwei Kunststoffkarten zurückkam und sie ihm auf den Schreibtisch legte. Mürrisch unterschrieb Kaspoff. Dorian und Flindt nahmen ihre Sonderausweise an sich.
„Offen an Jacke oder Mantel tragen", schnarrte Kaspoff. „Damit haben Sie überall dort Zutritt, wo auch ich Zutritt habe. Sollten Sie sich nicht ausweisen können, besteht die Möglichkeit, daß die Posten von der Schußwaffe Gebrauch machen - ohne Warnung."
„Das klingt, als wünschten Sie, daß sie es tun", sagte Dorian.
Kaspoff antwortete nicht.
„Wo man Sie mit diesen Ausweisen nicht hineinläßt, holen Sie mich", sagte Kiwibin. „Mein Paß ist noch ein wenig besser als Sesam-öffne-dich geeignet."
„Ich habe zu tun", sagte Kaspoff, ohne auf die offenbar für ihn gedachte Bemerkung einzugehen. Kiwibin zog die beiden Männer nach draußen auf den Korridor.
„Ich habe das Gefühl, der Mann mag Sie nicht besonders, Mister Kiwibin", sagte Dorian.
„Er mag weder KGB-Leute noch Gedankenleser", sagte Kiwibin. „Und er hat keinen guten Geruch." „Was meinen Sie damit?" wollte der Dämonenkiller wissen.
„Ihnen ist nichts aufgefallen?" fragte Kiwibin.
„Nichts. - Falls Sie damit andeuten wollen, der Mann stänke."
„Es ist kein Geruch, den man mit der Nase wahrnimmt", sagte Kiwibin. „Dieser Landsmann ist mir unsagbar fremd."
Kiwibin, Dorian und der Däne wirkten wie Fremdkörper, als sie sich der Rakete näherten. Sie stand im Freien vor einer riesigen Montagehalle - genauer gesagt, sie lag. Sie ruhte auf einem gewaltigen Fahrgestell mit Hebemechanismus und war daran fest verankert. Das Fahrgestell wurde auf breiten Schienen bewegt. So konnte das gewaltige Weltraumgeschoß bei Bedarf in die Montagehalle oder nach draußen gefahren werden. Die Schienen führten zum weit entfernten Startgelände, einer schneebedeckten Freifläche, groß genug, daß die gewaltige Flammenentwicklung des Starts keinen Schaden anrichten konnte.
Es wimmelte von Menschen. Sie trugen weiße und graue Overalls, Pelzmützen und Handschuhe. Hier und da patrouillierten Soldaten, aber sie sahen nicht so aus, als würden sie besonders wachsam sein. Wahrscheinlich waren sie nur anwesend, weil es so angeordnet war, nicht weil sie ein Auge auf die Techniker und Arbeiter und die wenigen Wissenschaftler halten sollten, die die Arbeit koordinierten.
„Das Ding ist ja größer als eine SATURN-V", staunte Abi.
„Sie muß auch ein ordentliches Gewicht in den Weltraum stoßen", sagte Kiwibin. „Die eigentliche Kapsel ist größer als eine Space-Shuttle. Immerhin birgt sie nicht nur den Steuerraum, sondern ein gut ausgerüstetes Labor sowie die Unterkünfte, und die sechs Insassen dürfen sich gegenseitig auch nicht zu sehr auf die Nerven gehen. Es muß Platz genug sein, daß sie sich ausweichen können." „Fünf Männer und eine Frau", sagte Dorian. „Geht das gut? Wie lange, sagten Sie, wird das Raumschiff unterwegs sein? Ein Vierteljahr?"
„Es wird gutgehen. Unsere Kosmonauten sind ausgesuchte und äußerst disziplinierte Bürger", sagte Kiwibin. „Sie dürfen nicht immer von den Zuständen im dekadenten Westen ausgehen."
Flindt hustete trocken.
„Der Halleysche Komet", sagte Kiwibin leise, „befindet sich zur Zeit auf der anderen Seite der Sonne. Die KOSMOVEGA soll ihn auf halber Strecke zwischen erdfernstem und erdnächsten Raum erreichen und wird ihn bis zum erdnahen Punkt begleiten. Dann erfolgt die Rückkehr zur Erde. Ich weiß nicht genau, wer die Flugbahn ausgerechnet hat, aber es muß etwas dran sein. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich die Expedition schon vor einem halben Jahr in den Weltraum geschickt. "
„Und warum ist es nicht nach Ihnen gegangen?" fragte Dorian mit mildem Spott.
„Weil andere für die Entscheidung zuständig sind, und weil die KOSMOVEGA damals noch gar nicht existierte. Man hat
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