1571 - Der fliegende Tod
Hansen, die das Haus verlassen und meine letzten Worte gehört hatte.
Ich schaute sie an, als sie sich auf einem freien Liegestuhl niederließ.
»Hast du eine andere Meinung?«
»Eigentlich schon. Mir geht dieser Riesenvogel nicht aus dem Kopf. Ich habe über ihn nachgedacht, und ich weiß jetzt, dass er in der altägyptisches Magie und Mystik eine Rolle gespielt hat. Er war so etwas wie ein Wächter für eine bestimmte Person, das fiel mir ein.«
»Und wen hat er bewacht?«
»Ein Kind. Er ist immer in Verbindung mit einem Kind genannt worden. Oder besser gesagt mit einem Säugling. Und eine Geburt haben wir ja heute erlebt.«
»Moment mal«, sagte Harry. »Kann es sein, dass sich dieser Riesenvogel für das kleine Kind interessiert?«
»Ich will es nicht ausschließen.«
»Und weiter?«
»Keine Ahnung, aber ich denke, dass hier Dinge zusammenkommen, die eigentlich nicht zusammenpassen. Im Nachhinein glaube ich, dass es besser gewesen wäre, in Fatima Herzogs Nähe zu sein, wenn sie das Kind bekommt.«
»Das sind ja keine guten Aussichten für die Herzogs«, meinte Harry und zog ein bedenkliches Gesicht. »Wir hätten den angehenden Vater wirklich begleiten sollen. Aber habt ihr keine Handynummer von ihm?«
»Nein.«
»Aber ihr kennt den Namen der Klinik?«
Harry lachte. »John hat recht. Frank hat mir mal den Namen gesagt. Die Nummer finde ich heraus.« Harry hielt sein Handy bereits in der Hand, aber Dagmar mischte sich ein.
»Bitte, lass mich das machen.«
»Warum?«
»Vielleicht ist man einer Frau gegenüber aufgeschlossener.«
»Da hat sie nicht unrecht«, sagte ich.
Über die Auskunft hatten wir die Nummer der Klinik schnell herausgefunden.
Der Rest war ein Kinderspiel. Das dachten wir zumindest. Ob bei einem Mann oder bei einer Frau - man gab Dagmar Hansen keinerlei Auskunft, was die Patienten anging.
»Aber Sie können mir doch sagen, ob eine Fatima Herzog bei Ihnen eingeliefert worden ist.«
Das gaben sie zu, der Rest war Schweigen.
»Vernagelt«, fasste Dagmar zusammen. »Ich glaube, dass alles irgendwie in die falsche Richtung läuft. Für uns und auch für die Herzogs. Ich denke nicht, dass wir hier sitzen und auf den Vogel warten sollten. Wir müssen selbst etwas unternehmen.«
Harry sprang sofort darauf an. »Du meinst, dass wir nach München fahren sollen?«
»Das schwebt mir zumindest vor. Vielleicht nicht alle, aber ich traue dem Braten einfach nicht.«
Bevor wir uns noch längeren Überlegungen hingeben konnten, hörten wir in der Nähe das Geräusch eines heranfahrenden Wagens. Wir sahen einen schwarzen BMW auf das Nachbargrundstück fahren.
»He, das ist ja Frank Herzog.« Harry stand auf und wollte ihm zuwinken, doch Frank Herzog beachtete ihn nicht. Wenig später war er im Haus verschwunden.
»Da stimmt was nicht«, sagte ich.
Dagmar war der gleichen Meinung. »Ja, so reagiert man nicht, wenn man soeben Vater geworden ist.«
»Willst du zu ihm?«
Sie konnte sich eine Antwort sparen, denn Frank Herzog verließ das Haus, und diesmal ging er nicht wieder zurück, sondern nahm den Weg zu uns.
Beim Näherkommen brauchte ich nur einen Blick in sein Gesicht zu werfen, um zu wissen, dass etwas Schlimmes geschehen war. Der Mann ging wie eine Marionette, betrat unser Grundstück und hielt am Rand der Terrasse an.
Er sagte noch nichts.
Mir fiel der leere Blick seiner Augen auf.
Sekunden später holte er tief Luft und zog seine Schultern in die Höhe, bevor er sagte: »Meine Tochter ist tot. Fatima hat eine Totgeburt erlitten…«
***
Es war auch für uns ein Schock, das hören zu müssen. Wir standen da wie vom Blitz getroffen und erlebten aus allernächster Nähe das Leid des Mannes.
Frank Herzog sah aus wie jemand, der jeglichen Lebensmut verloren hatte.
Wir blickten uns gegenseitig an, ob es einem gelang, die Sprache wiederzufinden, aber das war schwer.
Dann bewegte Frank Herzog seine Lippen. »Eine Totgeburt«, flüsterte er, ging vor, stützte sich an einer freien Stuhllehne ab und schaute ins Leere.
»Das ist doch nicht möglich«, sagte Harry leise und schaute Dagmar und mich dabei an. »Fatima war fit. Völlig gesund, und jetzt so etwas. Da kann was nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.«
»Da hast du recht«, murmelte Dagmar.
»An was denkst du dabei?«
»An den Vogel!«
»Und du glaubst, dass es zwischen den beiden Vorkommnissen einen Zusammenhang gibt?«
»Bestimmt!«
»Wie willst du das beweisen?«
»Nicht hier, Harry. Ich kann mir vorstellen,
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